Streit um Alkoholabhängigkeit

Approbation soll Führerschein retten

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Berlin -

In Bayern muss ein Apotheker nach einer Trunkenheitsfahrt um seinen Führerschein kämpfen. Vor Gericht versuchten seine Anwälte auch, mit seinem beruflichen Werdegang aufzutrumpfen. Ausschlaggebend war aber etwas anderes.

Der Apotheker war im Januar 2020 wegen einer Gefahr der Selbstgefährdung ins Krankenhaus aufgenommen worden, wo man per Atemtest eine Alkoholmenge von 2,46 feststellte und im Entlassungsbericht die Diagnose „akute Intoxikation und Entzugssyndrom bei Alkoholabhängigkeit“ stellte.

Von der Sache bekam auch die zuständige Fahrerlaubnisbehörde Wind, die ein halbes Jahr nach dem Vorfall ein ärztliches Gutachten anforderte. Die Begutachtungsstelle stellte eine Alkoholabhängigkeit fest, da in den Krankenhausunterlagen für den Zeitpunkt der Einlieferung trotz hoher Atemalkoholkonzentration nur mäßige Anzeichen einer Intoxikation, später aber eine Entzugssysmptomatik beschrieben worden seien. Eine Entwöhnungstherapie sei bisher nicht durchgeführt worden. Es liege auch kein nachgewiesener Abstinenzzeitraum für die zurückliegenden zwölf Monate vor.

Obwohl die Anwälte des Apothekers nun zwei weitere Gutachten einholten und zusammen mit diversen schriftlichen Aussagen von Verwandten, Freunden und Bekannten vorlegten, entzog das Landratsamt im Februar 2021 die Fahrerlaubnis und fordert ihn zur unverzüglichen Abgabe des Führerscheins auf. Dem kam der Apotheker nach, legte jedoch Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden. Parallel klagte er vor dem Verwaltungsgericht Regensburg (VG) gegen den sofortigen Vollzug.

Nachdem die Klage in erster Instanz abgewiesen wurde, ging die Sache vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH). Dort trugen die Anwälte unter anderem vor, dass ihr Mandant bis heute als Apotheker tätig sei: Ein Verfahren zur Entziehung der Approbation aufgrund des Vorfalls sei eingestellt worden, weil eine Alkoholabhängigkeit als nicht nachgewiesen gelte. Die Divergenz der Entscheidungen sei evident: Bei der Tätigkeit als Apotheker wären Gefahren für Leib und Leben von Kunden im Fall einer alkoholbedingten Unfähigkeit ebenso aufgrund einer staatlichen Schutzpflicht abzuwehren wie Gefahren im Straßenverkehr.

Obendrein gebe es keine Alkoholvorgeschichte und keine Nachsorgemaßnahmen, wie sie bei einem Alkoholkranken zu erwarten gewesen wären. Niemand aus dem Kreis der zu einer Verhaltensbeobachtung in Betracht kommenden Personen wie Lebenspartner, Familienangehörige, Hausarzt, Ärzte bei der früheren Krankenhausbehandlung wegen Burnout, Nachbarn, Gastwirte, Polizeibeamte oder Zufallsbegegnungen habe je von einer Alkoholauffälligkeit gesprochen.

Auch Mitarbeiter und Kunden wurden in diesem Zusammenhang angeführt: Bei der Apothekertätigkeit sei zu keinem Zeitpunkt ein ausgeprägtes Suchtverhalten aufgefallen. Anlass zu der Annahme, er könne zwischen Fahren und Trinken nicht strikt trennen, bestehe schon deshalb nicht, weil er auch seine Tätigkeit als Apotheker nur ohne alkoholische Beeinträchtigung durchführen dürfe – und dies ohne Unterbrechung über den Anlassfall hinaus zweifelsfrei tue.

Am Ende gingen die Richter nicht weiter darauf ein, kamen aber trotzdem zu dem Ergebnis, dass der Widerspruch voraussichtlich Erfolg haben wird: Denn die Diagnose der Alkoholabhängigkeit sei weder dem vorgelegten Fahreignungsgutachten noch dem Entlassungsbericht des Bezirksklinikums nachvollziehbar und schlüssig zu entnehmen: Der nicht einmal 24-stündige Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus liefere allenfalls eine punktuelle Momentaufnahme – die spärliche Datenlage genüge offensichtlich nicht, um die Diagnose eines Abhängigkeitssyndroms zu stellen.

Der durchgeführte Atemtest liefere allenfalls Anhaltspunkte für die Alkoholmenge und sei nicht geeignet, alle darauf fußenden Annahmen hinreichend zu stützen. „Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller, der nach seinen Angaben seit dem Kurzaufenthalt im Bezirksklinikum Ende Januar 2020 keinen Alkohol mehr zu sich genommen hat, nachgewiesen hat, dass er mittlerweile ein Jahr abstinent gelebt hat, und ansonsten nichts über ein Alkoholproblem des Antragstellers bekannt ist, gibt der Vorfall vom Januar 2020 auch keinen hinreichenden Anlass mehr, hieraus gegenwärtig noch Fahreignungszweifel herzuleiten.“

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