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Reif für die Apothekerinsel

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Berlin -

Erst kamen die Risse, dann fehlte der Brandschutz: Die Apotheker müssen raus aus dem Mendelssohn-Palais und wollen das unglückliche Immobilienkapitel endlich schließen. Ein Projekt, das die Anforderungen „funktional, zentral und ein bisschen repräsentativ“ erfüllt, schien endlich gefunden. Doch schon wieder gibt es kritische Nachfragen – diesmal aus Nordrhein. So langsam hat die ABDA-Spitze genug von dem ewigen Genörgel und erwägt ernsthaft Plan B: die Apothekerinsel.

Das Projekt „Pharmacist Island“ sieht die Schaffung einer künstlichen Inselanlage auf dem Heiligen See im Havelland vor. Die Vorteile: Ausreichend Platz auf lange Sicht, keine Nachbarn, raus aus dem hektischen Berliner Politikbetrieb und Abkopplung von den explodierenden Preisen für Grund und Boden und Mittagessen in der Hauptstadt. Baukosten: geschätzt 3,5 Milliarden Euro. Vermutlich etwas mehr.

Bis zur Fertigstellung können Mieträume in der Nähe des Sees, an der Hauptstraße „Unter den Platanen“, bezogen werden. Die Zufahrt zur Insel soll laut Planung später von der Bahnhofstraße aus erfolgen. Klingt alles nach „nah an den Entscheidungsträgern“. Und mit ein bisschen Glück – so die Hoffnung der Verantwortlichen um den neuen Baugeschäftsführer – fallen die Details erst auf, wenn es zu spät ist. Hat im Bankhaus in der Jägerstraße schließlich auch geklappt. Kritik an der Lage kann bei der Mitgliederversammlung zudem spielend abgebügelt werden: Kirchmöser liegt nachweislich zentraler als Berlin und der Flugplatz Brandenburg-Briest ist nur acht Kilometer entfernt – und fertig.

Während die einen umziehen, wollen die anderen womöglich ausziehen: Bei der Kammerversammlung in Nordrhein wurde ein Forderungskatalog an die ABDA verabschiedet. Beträgt sich die Standesführung bis November nicht artig, soll es ein Referendum über den Austritt aus der ABDA geben. Nein, halt, über die „zukünftige Zusammenarbeit“man wollte vernehmlich rasseln in Neuss, aber die Hand ausgestreckt lassen.

150 Kilometer nordwestlich hatten die westfälisch-lippischen Kollegen in Münster zur gleichen Zeit ganz andere Sorgen: die Zukunft der PTA-Ausbildung. Der Apothekerverband will, dass die Kammer für die Kosten aufkommt, die Kammer möchte, dass der Verband Stipendien organisiert. Kurzfristig ist der AVWL eingesprungen, erklärt sein Pulver aber – auch Dank eines Hausbaus – für verschossen. Die Kammer wird unter Schmerzen ihre Förderung von 10 auf 70 Euro pro Schüler und Monat erhöhen, aber nur, wenn die PTA in den heimischen Apotheken bleiben. Wie das gehen soll, muss noch erarbeitet werden. Unser Motto: Rettet die PTA!

Gut ausgebildetes Personal ist schon deshalb wichtig, um die Markenvielfalt in der Freiwahl zu beherrschen. Beispiel Mückenschutz: Anti-Brumm von Hermes, Autan von SC Johnson, Soventol von Medice, Jungle formula von Omega oder Viticks von Hennig– stechende Plagegeister werden es in diesem Jahr nicht leicht haben. Und erst die Apothekentester, die vermutlich zur Fortbildung müssen bei so vielen Neuerungen.

Und es kommt noch schlimmer für die leidlich geschulten Besucher mit versteckter Kamera: Antikoagulanzien sollen bei Kontrazeptiva kontraindiziert sein, Antidepressiva dafür nicht mehr. Und die neuen Hinweise gelten natürlich nur noch für apothekenpflichtige Präparate. Was Aldi verkauft, fliegt unter Gesichtspunkten von Wechsel-, Neben- oder einfach nur Wirkung sowie unter dem Radar der Arzneimittelsicherheit.

Arzneimittelsicherheit und Arzneimittelimport – auch so eine interessante Wechselwirkung. Seit dem Italien-Skandal wird verstärkt gegen die Importquote lobbyiert. Zu Unrecht, skandieren die Importeure, schließlich hätten sie den Skandal mit der geklauten Krankenhausware überhaupt erst aufgedeckt, während Roche das Abhandenkommen zweier LKW-Ladungen geflissentlich verschwiegen habe.

Aber dann stellt sich BfArM-Chef Professor Dr. Karl Broich hin und sagt, der Parallelimport sei ein Einfallstor für Fälschungen. Sagte das natürlich bei besagter Kammerversammlung in Neuss. Irgendwas war da im Trinkwasser, so aufrührerisch kennt man Bundesbehörden eigentlich nicht. Der Konter der Importeure folgte am Folgetag, Broich soll nicht mehr diffamieren, solche Aussagen seien nicht tragbar.

Ja, die Importeure haben keine ganz leichte Zeit. Mutmaßlich aus dem Herstellerlager werden jetzt auch noch ihre Bonusprogramme angeschossen: Der Wettbewerbsverein Integritas hat etwas gegen Eurim Smiles und das Clever-Programm von Kohlpharma. Warum aber sah das Landgericht Hamburg nach etlichen Jahren noch den Anspruch auf eine einstweilige Verfügung gegen die Bonusprogramme? Die Importeure werden sich wehren – und diesmal werden ihnen die Apotheker die Daumen drücken.

Regelmäßig vor Gericht gestritten wird über Retaxationen. Meistens gewinnen die Kassen. Eigentlich fast immer. Zum Glück, dass es Kassen gibt wie die AOK Baden-Württemberg, die „mit Augenmaß“ retaxieren, wie Kassenchef Dr. Christopher Hermann feststellte. Der Ländleapothekerverband hat zwar andere Zahlen, unterm Strich gilt die AOK-BaWü aber tatsächlich nicht als Retaxwüterich.

Ein viel wichtigeres Verfahren findet demnächst in Luxemburg statt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss klären, ob sich ausländische Versender hierzulande im rechtsfreien Raum bewegen dürfen. Es geht um nicht weniger als die Preisbindung und damit – da sind sich die Experten einig – um die Existenz einiger tausend Apotheken.

Da sollte man eigentlich erwarten, dass die Apothekerlobby alles in die Waagschale wirft, um eine Niederlage zu verhindern. Doch bei der ABDA ist man sich anscheinend so sicher, dass man auf guten Rat von den Juristen aus den Mitgliedsorganisationen verzichten kann. Hoffentlich rächt sich das nicht.

Derweil hat sich immerhin Antenne Bayern um den Tag der Apotheke geschert und eine Apothekenhymne gedichtet: Ein bisschen Werbung für Ratiopharm, Doppelherz und Porsche. Dabei sind die Apotheker total gewissenhaft: Etwa beim Notdienst leisten – und das nicht erst, seit es dafür einen Honorärchen gibt. Fazit eines Kammersprechers: „Von Verweigerern habe ich noch nie gehört.“

Relativ viele Verweigerer gibt es hingegen unter der Ärzten in Sachsen und Thüringen beim armen ARMIN. Und auch die Industrie ist von Wirkstoffverordnung und Medikationskatalog nicht überzeugt. Das Projekt dürfte nicht unbedingt an Fahrt gewinnen, wenn die Politik ihre E-Health-Pläne weiter ohne die Apotheker vorantreibt. Fazit: Die Apotheker sind reif für die Insel.

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