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Berlin -

Jede Zahl wurde mindestens zehnmal kontrolliert, die Tabellen sind übersichtlich, die Grafiken anschaulich: Besser vorbereitet waren die Apotheker noch nie im Wirtschaftsministerium. In den dicken Akten finden sich nicht nur lange Kolonnen mit vielen roten Zahlen, sondern auch die Einzelschicksale von 480 geschlossenen Apotheken. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat Akten und Zahlen mitgebracht. Stutzig macht der kleine gelbe Klebezettel obenauf: 0 Euro! Grüße, Wolfgang.

Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) tut gerade so, als wäre es von den Apothekern übers das Ohr gehauen worden bei der vorerst letzten sogenannten Honorarerhöhung. „Aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit“ möchte man diesmal „eine belastbare und breit akzeptierte Datenbasis“ schaffen, heißt es aus dem Ressort von Sigmar Gabriel (SPD). Entscheidend für die Berechnungsmethode sei das „Vorhandensein der notwendigen Daten“.

2012 hatten die Apotheker Daten aus ihrem eigenen Panel geliefert. Aber Siggis Vorgänger Fipsi Rösler (FDP) hatte den Apothekern nicht vertraut. Zu dieser Zeit hat allerdings fast kein FDP-Politiker mehr irgendwem getraut (und umgekehrt). Rösler war damals so weit, dass er unschuldige Frösche langsam aufkochen wollte.

Rösler besorgte sich alte Destatis-Zahlen, ließ daraus ein paar neue Kosten und Umsätze schätzen und fragte bei der ABDA immerhin die aktuelle Zahl der Apotheken ab. Dann kam ein solide errechnetes Ergebnis heraus: Um 25 Cent sollte, ja musste das Apothekenhonorar steigen. Dumm nur, dass der damalige CDU-Gesundheitschef Jens Spahn schon Monate vorher diese Zahl ausgeplaudert hatte.

Spahn ist jetzt Staatssekretär im Finanzministerium bei Wolfgang Schäuble (CDU). Schäuble nimmt den Kassen immer mal Geld weg, damit der Haushalt eine schwarze Null hat und keine rote. Verständlich in einer Großen Koalition. Rösler ist beim Weltwirtschaftsforum, kocht also gewissermaßen jetzt hauptberuflich Frösche.

Jetzt müssen die Apotheker also zu Gabriel. Der will zunächst ein externes Gutachten zum Apothekenhonorar einholen. Welche Daten dabei vom Ministerium als „notwendig“ erachtet werden, kann sich jeder selbst ausrechnen. Dass der entscheidende Faktor auch in dieser Rechnung wieder der politische Wille sein wird, ist kleines Lobby-Einmaleins.

Aus dem immerhin CDU-geführten Bundesgesundheitsministerium (BMG) ist jedenfalls kaum Hilfe zu erwarten. Das verweist auf Nachfrage auf die „spürbare Erhöhung“ vor zwei Jahren und die Notdienstpauschale. Immerhin: Die Forderungen der ABDA sind im BMG bekannt. Über den Sommer werden die Apotheker mit der Hoffnung auf den „Pharma-Dialog“ hingehalten, der vermutlich so heißt, weil man dort in großer Runde endlich mal in Ruhe ein gerechtes Apothekenhonorar errechnen möchte.

Die ABDA verliert zusehends die Lust an diesem Spiel: Der Bundesrat wird als Ausrede vorgeschoben oder Röslers Tabelle oder das Wetter. Dass die Kampfesmüdigkeit im Innenverhältnis an die Angestellten weitergegeben wird, hat der ABDA-Spitze Adexa-seitig den Vorwurf eingehandelt, sie reiße mit dem Hintern ein, was die Gewerkschaft zusammen mit dem ADA in Gesprächen im BMG aufgebaut habe. Mal abgesehen von dem ausufernden Selbstbewusstsein dieser Aussage, ist das Bild schief: Wie soll man mit dem Hintern etwas einreißen, wenn man keinen in der Hose hat?

Wenn es also schon nicht mehr für das Rezept gibt, müssen es eben mehr Rezepte werden. Da aber auch der befreundete Arzt in der Nachbarschaft unter der Knute der Kassen steht, müssen Care-Pakete aus dem Ausland kommen: Die West-Apotheke in Fürstenfeldbrück lässt sich von den britischen Online-Ärzten von DrEd Rezepte im Internet ausstellen.

Das Berufsrecht auf der Insel lässt diese Form der Ferndiagnose zu, den Rest erledigt die EU-Freizügigkeit. Dass DrEd keine Zahlen verrät, lässt Schlüsse über die Effektivität einer solchen Rettungsmaßnahme zu. Anders: Soviel Viagra können die Docs von der Insel gar nicht verordnen, als dass sich damit hier die Apotheken retten ließen.

Aber zweifelsohne drängen die Ärzte ins Netz: Die TK zahlt seit Dienstag sogar für Online-Sprechstunden. Ist aber noch ein Pilotprojekt für Dermatologen mit Berührungsängsten. Die Digitalisierung wird weitergehen – und sie wird an ihre Grenzen stoßen.

Vor-Ort-Apotheker können schon Probleme bekommen, wenn sie nebenbei einen Tauchshop aufmachen. Erste Pointe: Ein Tauchfachgeschäft in Nordrhein-Westfalen, weil sich die Apotheke allein nicht mehr lohnte. Dass der Fiskus dann noch die Verluste aberkennen wollte, weil der Apotheker nur aus Hobby mit dem Tauchladen pleite gegangen sei, hat das Finanzgericht Düsseldorf zum Glück nicht mitgemacht.

Aber wie ist das im Netz mit seinen ungeahnten Weiten? Darf die Stadt-Apotheke ihre Arzneimittel auch unter pille247.de, flyarznei.de und zehn weiteren Domains im Netz verticken? Das OLG Stuttgart hat zumindest einige interessante Überlegungen dazu angestellt, wann das Mehrbesitzverbot berührt ist.

Apropos Fiskus: Über das Ausmaß an Steuerbetrug wird noch gerätselt. Aber passieren muss etwas! Andere tun sich leichter darin, Apotheken auszurauben: Schiebeautomatiktür auf, Tresor raus, fertig. Die betroffene Wolfsburger Apotheke rüstet jetzt auf im Kampf gegen nächtlichen Besuch. Gegen Übergriffe tagsüber aus Berlin gibt es leider noch keine Absicherung.

Doch eine: Man schließt die Apotheke. Das droht der einzigen Apotheke auf der schönen Insel Baltrum, weil sich kein Nachfolger findet. Der Apothekerverband Niedersachsen schlägt Alarm: Das sei kein Einzelfall. In der Tat: Es gibt knapp 90 Meeresinseln vor der deutschen Küste und einige darf man nicht einmal betreten.

Von Bord gegangen ist Oliver Prönnecke bei Alphega. Ein Nachfolger wird gesucht. Die Apothekenkooperation von Walgreens, pardon Alliance Healthcare, hat noch 572 Mitglieder. Vielleicht geht’s auch ohne Geschäftsführer. Personalie auch bei Hexal: Ab Oktober verantwortet Stefan Walk das OTC-Geschäft des Generikaherstellers. Er übernimmt den Posten von Jan Tangermann, der zum Monatsanfang zu Sandoz International gewechselt ist. Walk wiederum war beim Joint Venture von GlaxoSmithKline (GSK) und Novartis für den Vertrieb verantwortlich. Ist halt eine große Familie.

Weiter nur ihren Familiennamen aufs Rezept schreiben, das fänden die Ärzte sinnvoller. Aber die Politik lässt sich wohl nicht mehr erweichen, viele Stempel sind ja auch schon geschnitzt. Den Familiennamen Schlecker auf dem Klingelschild verloren hat die Versandapotheke Vitalsana schon vor ein paar Jahren. Jetzt sucht das Management offenbar nach einem reichen Onkel.

Lieb Kind machen muss sich Noweda noch in der neuen Nachbarschaft. Die Genossenschaft muss für ihre neue Niederlassung bei Hamburg noch ein bisschen Überzeugungsarbeit bei der Bevölkerung leisten. Es gibt eine Bürgerinitiative gegen den Neubau – und das, obwohl es da früher Tierversuche gab. Ungewohnte Widerstände für die Noweda.

Andere überzeugen muss man grundsätzlich auch beim Deutschen Apothekertag (DAT). Die Anträge sind gestellt, manches klingt merkwürdig vertraut. Natürlich gibt es einen Leitantrag zum Honorar. Am besten wäre, die ABDA-Spitze würde einen kleinen gelben Klebezettel aus Düsseldorf mitbringen – mit einer Zahl darauf für Sigmar Gabriel. Irgendwelche Vorschläge?

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