Shop Apotheke und DocMorris scheinen vor kaum einer Maßnahme mehr zurückzuschrecken, wenn es um die Kundengewinnung geht. „Die Versender fordern die Rezepte mittlerweile schon direkt in den Arztpraxen an“, berichtet eine Inhaberin verärgert. Für die öffentlichen Apotheken bedeute das: „Die Kunden sind für immer verloren.“
Das Vorgehen der Versender wird zunehmend aggressiver, wenn es um die Gewinnung neuer Kundinnen und Kunden geht. Inzwischen greifen DocMorris und Shop Apotheke nicht mehr nur auf Direktwerbung per Post oder Anrufe durch geschulte Mitarbeiter zurück – sie wenden sich auch unmittelbar und ohne Umwege an die Arztpraxen, um insbesondere Folgerezepte direkt abzufangen: „Neulich habe ich mit einer Arztpraxis aus der Umgebung gesprochen. Dort wurde angerufen und darum gebeten, für Patient XY Rezepte auszustellen“, berichtet Inhaberin Katharina Pless aus der Markt-Apotheke in Seevetal verärgert.
Dies betreffe vor allem Kundinnen und Kunden, die schon einmal bei den Versendern bestellt hätten. „Es muss dann nur eine Einwilligungserklärung unterschrieben werden und man kümmere sich in Folge um das Rezeptmanagement, der Kunde braucht nichts zu tun“, berichtet die Inhaberin. Das bedeute für sie und alle anderen betroffenen Apotheken: „Die Patienten sind unwiederbringlich für immer weg.“
Es sei völlig klar, dass die Menschen immer mehr in den Versand abwandern, „bei der massiven Werbung“, die insbesondere am Abend im Fernsehen laufe. „Das trifft genau die Zielgruppe, die gerne im Internet bestellt, die 50- bis 70-Jährigen“, betont sie. Diese Patienten erreiche die Apotheke vor Ort gar nicht erst oder zumindest schwer. „Das wäre klar die Aufgabe unserer Standesvertretung gewesen, Werbung für die Vor-Ort-Apotheken, dass man dort ebenso per App bestellen kann, dass es genauso bequem ist und so weiter. Mit einer kleinen Plakataktion kommen wir in dem Bereich nicht weiter“, stellt Pless klar.
In der Apotheke würde die Kundschaft hängenbleiben, die sich mit der Technik nicht auskennt. „Klar gibt es auch die wenigen Idealisten, die aus Prinzip nicht im Internet bestellen, aber das sind die wenigsten. Und die älteren Herrschaften, die keinen Zugang zur Technik haben, sterben auch langsam aus“, beklagt Pless.
Das Zuweisungsverbot ist in § 11 Apothekengesetz (ApoG) geregelt. Dort heißt es: „Erlaubnisinhaber und Personal von Apotheken dürfen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, oder mit Dritten keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben.“ Ähnliche Regelungen gibt es im Berufsrecht der Ärzt:innen.
Das Problem: Die Patientinnen und Patienten entscheiden in dem Fall aktiv und per Unterschrift selbst, ihre Rezepte in Zukunft von Shop Apotheke oder DocMorris verwalten zu lassen. Die Apotheke vor Ort wird umgangen.
Bei der Generalversammlung von DocMorris machte CEO Walter Hess neulich klar, dass er genau hier das Wachstumspotenzial sieht: „Das Wiederholungsrezept wird kommen, wenn die Ärztinnen und Ärzte nur noch einmal im Jahr bezahlt werden statt über die Quartalspauschale.“ Er rechne damit, dass diese Änderung bald kommen wird, voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres. „Dann können wir optimale Services anbieten. Jetzt sind alle Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt.“