Porträt

Ärzte als Versandapotheker

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Berlin -

Eigentlich begann alles als Praxisgroßhandel: Im März 1993 gründen 21 Ärzte das Gemeinschaftsunternehmen „Zur Rose“. Im Mai eröffnet die Apotheke, im Juni nimmt der Ärztelieferant seinen Geschäftsbetrieb auf – drei Jahre später ist „Zur Rose“ bereits in der gesamten Deutschschweiz aktiv. Durch organisches Wachstum und Zukäufe steigt „Zur Rose“ zu einem der beiden führenden Ärztegrossisten auf – und zu einer der führenden Versandapotheken in Europa.

In Frauenfeld, 50 Kilometer nordöstlich von Zürich, wird 1999 ein neues Logistikzentrum mit einer Fläche von 4500 Quadratmetern eröffnet. Genügend Kapazitäten, um Anfang 2001 als Versandapotheke mit der Direktbelieferung an Patienten zu beginnen. Verschickt werden jahrelang nur verschreibungspflichtige Arzneimittel, denn in der Schweiz muss für den Versand von Arzneimitteln ein Rezept vorliegen. Seit Januar dieses Jahres lotet „Zur Rose“ mit Hilfe von Online-Ärzten die Dehnbarkeit der Vorschriften aus.

2004 nehmen die schweizerischen Ärzte deutsche Patienten ins Visier: Im August gründet „Zur Rose“ die Niederlassung in Halle an der Saale; neun Millionen Euro sollten in das Logistikzentrum fließen, das formal als Dienstleister für den Köthener Apotheker Ulrich Nachtsheim auftritt. „Maßgeblich“ unterstützt wird die Kapitalgesellschaft von Stadt und Land – Halles damalige Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler heißt die Investoren persönlich willkommen. Aus den versprochenen 400 Arbeitsplätzen wird freilich nichts; heute arbeiten 80 Mitarbeiter am Standort.

Im Dezember 2004 startet das Versandgeschäft in Deutschland. Zwei Jahre später kauft die Firmengruppe die tschechische Versandapotheke VfG, die sich auf OTC-Produkte zu Discountpreisen spezialisiert hat. 25 Millionen Euro zahlt „Zur Rose“ an den Leipziger Marketingexperten Professor Dr. Christian Schleuning, der kurz darauf an seinem nächsten Projekt – dem Aufbau einer Apothekenkette – scheitern wird.

Doch auch „Zur Rose“ gerät in heftige Turbulenzen. Weil sich das Deutschlandgeschäft nicht wie geplant entwickelt – unter anderem zerschlägt sich eine Kooperation mit Plus/Netto – schreibt die Firmengruppe 2008 Verluste in Millionenhöhe. Mitte 2009 pfänden die Banken sämtliche Vermögenswerte – die Ärzte-AG steht am Abgrund.

Rettung kommt ausgerechnet aus Deutschland: Im Januar 2000 hatte „Zur Rose“ gemeinsam mit Stada das Generikaunternehmen Helvepharm gegründet – als die Ärztegruppe als Versandhändler in Deutschland aktiv wurde, musste Stada auf Druck der Apotheker aussteigen. Nur 2,5 Millionen Euro zahlten die schweizerischen Ärzte im Juli 2006 für das 50-prozentige Aktienpaket – drei Jahre später verkaufen sie das Generikaunternehmen für 43 Millionen Euro an Sanofi.

Damit sind die Probleme zunächst vom Tisch – zumindest die wirtschaftlichen. Im Hintergrund wird seit Jahren über die Betriebserlaubnis gestritten – weil „Zur Rose“ aus Sicht der Kritiker allzu viele und relevante Tätigkeiten für den formal verantwortlichen Apotheker übernimmt. Der Fall wird morgen vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt.

Für die rund 2000 Aktionäre – „Zur Rose“ wird seit einem Jahr an der Börse gehandelt – geht es um viel: Im schlimmsten Fall könnte die Apotheke die Versanderlaubnis und „Zur Rose“ damit die geschäftliche Grundlage in Deutschland verlieren. Um das zu verhindern, sucht Deutschlandchef Rainer Seiler nach neuen Geschäftsmodellen. Nicht nur Krankenkassen, sondern auch andere Apotheken hat er dabei im Blick.

Im vergangenen Jahr setzte „Zur Rose“ umgerechnet knapp 380 Millionen Euro um (minus 7,5 Prozent); der Gewinn lag bei 2,8 Millionen Euro. Auf die Belieferung von dispensierenden Ärzten entfielen rund 240 Millionen Euro (minus 5,2 Prozent), auf das schweizerische Versandgeschäft 72,5 Millionen Euro (minus 1,5 Prozent). In Deutschland erwirtschaftete „Zur Rose“ 67 Millionen Euro (minus 11 Prozent). Seit Anfang des Jahres ist „Zur Rose“ auch in Österreich aktiv – als Partner von dm.

Der Auftrag von „Zur Rose“ ist übrigens nicht nur geschäftlicher Natur: Die einstige Ärzte-AG lobbyiert auch aktiv für die Selbstdispensation – und für Apothekenketten.

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