Kommentar

So schnell kommt das Dispensierrecht

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Berlin -

Es klingt wie ein Schildbürgerstreich: In Österreich wird eine Straße in Privateigentum verwandelt, damit sich der Weg zur nächsten Apotheke verlängert – und der Hausarzt zur Sicherung der Versorgung Arzneimittel abgeben darf. Die Bedarfsplanung kann skurrile Blüten treiben, wenn der Bedarf erst geschaffen wird.

Dass dies keine theoretische Gefahr ist, zeigt der Blick nach Österreich. In Mooskirchen ließ sich der neue Arzt nur nieder, weil ihm eine sogenannte Hausapotheke zugesagt wurde. Dispensieren dürfen Ärzte in Österreich aber nur in unterversorgten Gebieten – ein Kriterium dafür ist, dass die nächste Apotheke mehr als sechs Kilometer entfernt ist.

Allerdings: Mooskirchen ist nach dieser Betrachtungsweise nicht unterversorgt. Zwar gibt es in der Gemeinde mit rund 2200 Einwohnern keine Apotheke – allerdings in zwei Nachbarorten, eine davon liegt weniger als sechs Kilometer entfernt.

Doch für die Ärzte ist die Hausapotheke eine wichtige Einnahmequelle. Mooskirchen war bereits einige Monate ohne Hausarzt, für Patienten wurden Fahrdienste organisiert. Sicher war man vor diesem Hintergrund besonders kompromissbereit. Auf jeden Fall wird für den Arzt nicht nur eine neue Praxis am anderen Ende des Ortes gebaut, sondern auch – weil der Neubau wegen eines Planungsfehlers noch zu nah an der Apotheke liegt – eine Straße formal dicht gemacht.

Aus Sicht des Bürgermeisters trägt das alles zur Sicherung der Versorgung bei. Dass durch die Umwandlung der Straße in einen Privatweg, der im Winter nicht geräumt wird, der Weg zur Apotheke erschwert wird, findet er nicht. Schließlich sei die Straße ohnehin ziemlich unsicher.

Eine Bedarfsplanung wie in Österreich gibt es auch in anderen EU-Staaten. Italien etwa hat sie erst Ende 2013 erfolgreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verteidigt. Allerdings ist die beste Bedarfsplanung wenig wert, wenn sie in der Praxis ausgehebelt wird.

Doch auch für Deutschland ist der Blick in das Nachbarland bedeutsam. Denn das Beispiel Mooskirchen zeigt auch, dass selbst ein ausnahmsweises Dispensierrecht keine Ausnahme bleiben muss. So sinnvoll es auf den ersten Blick scheint, dass Ärzte in ländlichen Gebieten ohne Apotheke Arzneimittel abgeben – Kritikern, die allen Anfängen wehren wollen, gibt der aktuelle Fall recht.

Denn sobald Menschen die Chance haben, mehr Geld zu verdienen, werden sie die Chance nutzen – auch Ärzte. Und dann wird die Hausarztpraxis nicht im Ort aufgemacht, sondern am Ortsrand. Oder Straßen werden gesperrt. Damit ist der Versorgung aber gar nicht gedient.

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