Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) ist ein wichtiger nächster Schritt in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Auf dem DAV-Wirtschaftsforum betonten Experten, dass die ePA nicht nur die Patientenversorgung verbessern, sondern auch die Apotheken und Arztpraxen entlasten könnte. Doch noch gibt es viele Herausforderungen – von fehlenden Rechten bis hin zu technischen Hürden. Die Apotheken fordern mehr Befugnisse und ein besseres Zusammenspiel aller Beteiligten.
„Bei der Einführung der ePA haben wir viel aus der Einführung des E-Rezepts gelernt“, erklärte Apothekerin Sabine Haul aus der Elefanten-Apotheke Hamburg. Man habe diesmal alle Beteiligten frühzeitig an einen Tisch geholt. „Das E-Rezept hat gezeigt, dass die Apotheken Digitalisierung können“, ergänzte Dr. Jan-Niklas Francke vom Deutschen Apothekerverband (DAV).
Claudia Korf, Geschäftsführerin der Abda, sprach im Zusammenhang mit der ePA von der „Spinne im Netz“. Entscheidend sei, dass alle darauf aufbauenden Anwendungen auch zuverlässig funktionierten. Für Dr. Anne Sophie Geier vom Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung steht fest: „E-Rezept und ePA sind Mammutprojekte“, die gemeinsam die Patientensicherheit erhöhen könnten – insbesondere durch die elektronische Medikationsliste (eML).
Im Alltag stellt die ePA für viele Patientinnen und Patienten noch eine Hürde dar. „Unsere multimorbiden Patienten haben teils immer noch Schwierigkeiten, das System zu verstehen“, erklärte Haul. Dennoch sei der Mehrwert offensichtlich: „Die ePA ist bereits jetzt ein zentraler Baustein.“ Wichtige Daten könnten insbesondere bei einem Arztwechsel oder beim Besuch mehrerer Apotheken helfen. „Wir erhalten Informationen in Echtzeit, die wir nicht hätten, wenn ein Patient mehrere Apotheken aufsucht“, betonte Francke.
Durch die eML stünden deutlich mehr Informationen zum Austausch über Medikamente zur Verfügung – ein echter Vorteil, insbesondere im Umgang mit Lieferengpässen. Für den Versicherten kann die ePA laut Korf im Alltag direkt Vorteile bringen: „Du musst nicht mehr ständig deinen Impfpass suchen.“
Die ePA kann langfristig nur erfolgreich sein, wenn die Versicherten sie akzeptieren und ihren Nutzen im Alltag erkennen – darin waren sich alle Teilnehmenden der Diskussionsrunde einig. Gerade die Apotheken könnten einen wesentlichen Beitrag zur Akzeptanz leisten.
„Fertigarzneimittel und Standardrezepturen sind durch das E-Rezept abgedeckt“, betonte Korf. Für BtM-, T-Rezepte und den PKV-Bereich bestehe jedoch weiterhin Nachsteuerungsbedarf. Ein konkretes Enddatum für das Papierrezept nannte Florian Fuhrmann von der Gematik nicht, es wird laut seiner Einschätzung aber nicht mehr lange dauern.
„Die Vollständigkeit der ePA ist der eigentliche Wert“, stellte Korf klar. Nur wenn alle Leistungserbringer sie aktiv pflegen und nutzen, könne sie eine sichere, effiziente Versorgung ermöglichen. Voraussetzung dafür sei, dass Apothekerinnen und Apotheker auch aktiv mitarbeiten und entsprechende Rechte erhalten. „Wir brauchen mehr Rechte – zum Beispiel Schreibrechte. Wenn ein Papierrezept ausgestellt wurde, darf das nicht dazu führen, dass wir keinen Zugriff auf die ePA haben oder keine Daten ergänzen können“, forderte Haul.
„Wir in den Apotheken können im digitalen Bereich durchaus sinnvolle Aufgaben übernehmen“, sagte Korf. Auch wenn Apo-Ident aktuell auf Eis liege, sei klar, dass es jemanden brauche, der Versicherte in der digitalen Gesundheitswelt begleite – und das könne die Apotheke sein.
Haul wünschte sich umfassenden Zugriff auf Gesundheitsdaten: „Ich würde gerne alles sehen – auch Diagnosen und Befunde.“ Es sei außerdem unrealistisch zu erwarten, dass Krankenkassen den Versicherten die ePA erklären würden: „Das werden wir in den Apotheken übernehmen.“ Aber diese Mehrarbeit müsse auch angemessen honoriert werden.
Ein weiterer Knackpunkt: Die Kompetenzen zwischen Apotheken und Arztpraxen seien nicht eindeutig verteilt. „Viele Ärztinnen und Ärzte wissen oft gar nicht, warum Apothekerinnen und Apotheker überhaupt in die ePA schauen wollen – bis es ihnen erklärt wird“, berichtete Haul. „Es geht um ein neues Aushandeln von Kompetenzen“, ergänzte Geier. Dafür sei auch politische Steuerung nötig.
Die ePA könne nicht nur die Patientenversorgung verbessern, sondern auch Ärzte und und Apotheker entlasten – wenn Apotheker die nötigen Kompetenzen erhalten würden, arzneimittelbezogene Probleme eigenständig zu lösen und in der Akte zu vermerken, statt jedes Mal neue Rücksprachen halten zu müssen.
„Das Thema Sicherheit ist für uns natürlich ganz zentral“, betonte Fuhrmann. Die vom Chaos Computer Club (CCC) aufgezeigten Sicherheitslücken seien inzwischen behoben worden. Eine 100-prozentige Sicherheit gebe es jedoch nicht, man könne nur möglichst nah dran kommen.
Apotheken müssten schon jetzt mitdenken, welche Mehrwerte die ePA für Versicherte und Apotheken bieten müsse, damit sie tatsächlich wirksam werde, gab Geier zu bedenken. „Die Medikationsliste ist ein guter Anfang, aber beispielsweise müssten auch pharmazeutische Dienstleistungen in die ePA eingebracht werden können.“
Strukturierte Daten seien das Ziel – aber nicht immer realistisch. „Natürlich sind strukturierte Daten immer besser als PDF – aber eine unstrukturierte PDF ist immer noch besser als gar keine Information“, betonte Fuhrmann. Gerade angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Softwarelösungen und Anbieter im ambulanten Bereich sei es für viele Praxen schlicht nicht leistbar, strukturierte Daten bereitzustellen.
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