Hoffnung auf Entbudgetierung

5000 eGK aus Heimen: Inhaber ist Einsammeln leid

, Uhr
Berlin -

In Heimen ist die Arzneimittelversorgung längst nicht voll digitalisiert. Auch wenn es unter den rund 12.000 vollstationären Einrichtungen Beispiele gibt, die an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen sind, wird dies erst für Mitte des Jahres verpflichtend. Für heimversorgende Apotheken bleibt es dabei, dass die elektronischen Gesundheitskarten (eGK) zu Quartalsbeginn in der Praxis vorgezeigt werden müssen. Ein Inhaber hofft auf Erleichterungen durch das beschlossene Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG), doch er dürfte enttäuscht werden. Denn das Gesetz zielt zunächst nur auf sogenannte Mono-Chroniker.

Inhaber Dr. Roman Nölte* betreibt eine Apotheke, die sich auf die Versorgung von Heimen spezialisiert hat. Mittlerweile beliefert er rund 50 Pflegeeinrichtungen mit Arzneimitteln. Pro Heim gebe es zwischen 80 und 100 Bewohnerinnen und Bewohner. Zum Quartalsanfang stehe er vor der Herausforderung, alle eGK einzusammeln, um diese in der jeweiligen Arztpraxis vorzuzeigen. „Das ist zwar nicht unsere originäre Aufgabe, aber ein Service, den wir für unsere Heime anbieten“, sagt er. Eigentlich müsste die Praxis beim Arztbesuch ein mobiles Kartenlesegerät mitnehmen.

Doch die Realität sehe anders aus: „Würden wir uns nicht um das Kartenstecken kümmern, könnten die Heimbewohner zum Quartalsbeginn nicht mit den notwendigen Arzneimitteln versorgt werden, weil die Praxen keine Rezepte ausstellen, ohne dass die Karten vorher eingelesen wurden“, betont er.

Aufsicht kritisiert eGK-Kurierfahrten

Auch wenn er weiß, dass die Aufsicht mancherorts die Kurierfahrten der eGK kritisch betrachtet, gibt es für ihn keine Alternative – denn es mangelt in den Pflegeeinrichtungen an genug Personal für derartige Aufgaben. So kommt es, dass die Angestellten der Heime zu jedem neuen Quartal vorsortierte Umschläge mit den eGK für die Apothekenboten packen. „Bei uns ist es eine unglaubliche Menge an eGK.“

Jedes Heim habe im Schnitt etwa drei Hausärztinnen oder -ärzte. Dazu kämen häufig noch Fachärztinnen oder -ärzte. „Wir sind mindestens eine Woche damit beschäftigt“, sagt er – und das alle drei Monate. „Es ist doch Wahnsinn, dass wir alle Plastikkarten mit dem Auto durch die Gegend fahren müssen.“

Dazu komme der Stress für die Botin oder den Boten. Denn in den Praxen heiße es zunächst oft Anstellen in der Warteschlange. Wenn dann das Kuvert mit mehreren dutzend eGK vorgelegt werde, reagierten die Medizinischen-Fachangestellten (MFA) oft mürrisch, weil sie so viele Datensätze hintereinander einlesen müssten. „Man wird beschimpft, wie man sich das vorstellt“, sagt der Inhaber.

Der Apotheker hofft, dass mit dem GVSG das quartalsmäßige Kartenstecken für gesetzlich Versicherte deutlich einfacher oder unterjährig entfallen werde. Doch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband dämpft die Erwartungen: Denn von der Versorgungspauschale seien nur wenige Patientinnen und Patienten betroffen. Nur Mono-Chroniker, also Menschen, die ein einziges Arzneimittel wegen einer chronischen Erkrankung erhielten, müssten damit seltener in die Praxen einbestellt werden. Dies dürfte wahrscheinlich die wenigsten Heimpatientinnen und -patienten betreffen, sagt eine Verbandssprecherin. Im Schnitt mache diese Gruppe nur zehn bis 15 Patientinnen und Patienten pro Quartal und Praxis aus.

Kassenärzte müssen noch verhandeln

Für konkrete Aussagen ist es laut der Kassenärztlichen Vereinigung (KBV) aber noch zu früh. „Die Ausgestaltung der neuen Gesetzgebung muss nun zwischen der GKV und uns verhandelt werden“, sagt eine Sprecherin. Mit dem GVSG sollen Hausarztpraxen bessere Bedingungen bekommen, die die Vor-Ort-Versorgung für Patientinnen und Patienten stärker absichern sollen. Anfallende Mehrarbeit soll sicher honoriert werden, auch wenn das Budget ausgeschöpft ist.

Die eGK wird laut Bundesrahmentarifvertrag unter anderem verwendet, um den Leistungsanspruch der Versicherten gegenüber der Krankenkasse zu prüfen. Dazu muss sie mindestens einmal pro Quartal vorgelegt werden. Ist dies nicht der Fall, wird es kompliziert. Denn nach Ablauf von zehn Tagen kann die Ärztin oder der Arzt demnach eine Privatvergütung für die Behandlung verlangen, die jedoch zurückzuzahlen ist, wenn dem Arzt bis zum Ende des Quartals eine zum Zeitpunkt der Behandlung gültige eGK oder ein anderer gültiger Anspruchsnachweis vorgelegt wird. „Veranlasste Leistungen kann der Arzt in derartigen Fällen ohne Angabe der Kassenzugehörigkeit mit dem Vermerk 'ohne Versicherungsnachweis' verordnen.“

TI und Zuweisungsverbot

Im Kontext Heimversorgung sei auch die Übermittlung der Rezepte „ein weiterer Pain Point“, sagt der Inhaber. Wegen der fehlenden TI in Heimen, der raren E-Rezept-Direktübermittlung per KIM und dem Zuweisungsverbot leide eine gute und effiziente Versorgung der Heimbewohnerinnen und -bewohner.

In der täglichen Praxis würden viele E-Rezepte zwar bereits digital übermittelt. „Allerdings ist rechtlich unklar, ob das erlaubt ist und das Zuweisungsverbot nicht gilt.“ Nölte sieht sich auf der sicheren Seite, wenn das Heim von der Apotheke zentral versorgt wird, ein Heimversorgungsvertrag geschlossen wurde und die einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner ihr Einverständnis gegeben haben, von dieser Apotheke versorgt zu werden. Dann könnten die Rezepte direkt von der Praxis dorthin geschickt werden.

* Name von der Redaktion geändert

Guter Journalismus ist unbezahlbar.
Jetzt bei APOTHEKE ADHOC plus anmelden, für 0 Euro.
Melden Sie sich kostenfrei an und
lesen Sie weiter.
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz