Neue Impfstoff-Strategie

Auf der Suche nach „Corona-Killerzellen“

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Berlin -

Weiße Blutkörperchen, die Sars-CoV-2 vernichten können, ohne jemals mit dem Virus in Berührung gekommen zu sein – das könnte eine neue Strategie in der Forschung rund um Covid-19 werden. Amerikanische und deutsche Wissenschaftler kamen unabhängig voneinander zu diesen neuen Erkenntnissen.

Experten sind sich einig, dass die momentane Pandemie nur mit einem Impfstoff erfolgreich bekämpft werden kann. Die aktuellen Ansätze in der Impfstoffforschung basieren darauf, dass das Immunsystem nach der Impfung zur Bildung von Antikörpern angeregt werden soll. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt derzeit 118 Projekte – weitere werden noch dazu kommen. Nun haben amerikanische und deutsche Wissenschaftler unabhängig voneinander eine neue Strategie entwickelt: T-Zellen, die vorher noch nie mit Sars-CoV-2 in Berührung gekommen sind, sollen in der Lage sein, das Virus als pathogen zu identifizieren und zu vernichten.

Bisher wussten Forscher nicht, inwiefern diese weißen Blutzellen bei infizierten Menschen auf das Virus reagieren. T-Zellen stellen gemeinsam mit den B-Lymphozyten die erworbene Immunantwort dar. Beide Untersuchungen zeigen nun, dass T-Zellen das Coronavirus attackieren. Erste Studien lassen vermuten, dass die neue Strategie der Wissenschaftler erfolgreich sein könnte. Die Immunzellen bekämpfen die Viruserkrankung auf zwei Ebenen: Zum einen können T-Zellen Pathogene im Körper erkennen und als Folge Botenstoffe ausschütten. Die Zytokine sorgen dafür, dass weitere Immunzellen angelockt werden – das gesamte Abwehrsystem wird aktiviert. T-Killerzellen greifen die Zellen im Körper an, die dem Virus als Wirt dienen, und töten sie ab – folglich kann das Virus sich nicht replizieren. Zum anderen können T-Helferzellen ein bestimmtes Protein auf der Virusoberfläche erkennen.

Der Verlauf von Covid-19 hängt maßgeblich von der ausgelösten Immunantwort ab. In einer der Studien aus dem Fachjournal „Cell“ untersuchten US-Forscher, welche Proteine des Virus die stärkste Reaktion der T-Zellen auslösen. Für die Untersuchung wurden Immunzellen von 20 Patienten herangezogen, die Covid-19 überstanden hatten. „Wir wählten speziell Patienten mit einem milden Krankheitsverlauf aus, um zu sehen, wie eine normale Immunantwort aussieht“, erklärt einer der Forscher, „denn das Virus kann bei manchen Menschen sehr ungewöhnliche Dinge tun.“

Alle Patienten besaßen spezifische T-Zellen

Nach der Untersuchung stellten die Wissenschaftler fest, dass alle Patienten T-Helferzellen in sich trugen, die das sogenannte Stachelprotein des Virus erkennen. An diesem Teil binden die weißen Blutzellen und führen zur Elimination des Coronavirus. Bei rund 70 Prozent der Probanden fanden die Forscher spezifische „Corona-Killerzellen“. „Es wäre besorgniserregend, wenn wir nur eine marginale Reaktion hätten“, so die Forscher, „doch wir sehen eine sehr robuste T-Zell-Reaktion auf das Stachelprotein, das für die meisten Impfstoffprojekte das Zielmolekül ist, und ebenso auf andere Proteine. Das ist eine sehr gute Nachricht für die Entwicklung einer Impfung“.

Alte Blutproben reagieren auf Corona

Die Forscher testeten das Verhalten der Zellen auch bei älteren Blutproben. Zu ihrer Überraschung reagierten auch T-Zellen aus Blutproben vor der Corona-Pandemie auf das Virus. Viele der Abwehrzellen attackierten den Erreger, obwohl dieser eigentlich unbekannt war. Als möglichen Grund sehen die Wissenschaftler eine vorausgegangene Erkältung mit anderen Coronaviren. Bislang sei aber noch nicht klar, ob diese Kreuzreaktion auch einen tatsächlichen Schutz bringe. „Jeder Grad einer Immunisierung durch eine von anderen Coronaviren ausgelösten Kreuzreaktion kann den globalen Seuchenzug substanziell verändern. Das können die Epidemiologen nun bei ihren Prognosen für den weiteren Verlauf der Pandemie berücksichtigen,“ heißt es seitens der Studienautoren.

Auch Berliner Studie stellt T-Zell-Aktivität fest

In einer Studie der Berliner Charité konnten ähnliche Erkenntnisse gewonnen werden: Bei 15 von 18 hospitalisierten Covid-19-Patienten fanden sie T-Helferzellen, die auf das Stachelprotein reagierten. Die Forscher analysierten Blutproben von 68 nicht infizierten Probanden. Bei einem Drittel der Proben reagierten die enthaltenen T-Zellen auf Sars-CoV-2.>/p>

„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein großer Teil der Bevölkerung durch Kontakt mit Erkältungsviren eine geringe Immunität besitzt und deshalb mit dem Covid-19-Erreger zurecht kommt“, so die Vermutung des Immunologe Steven Varga von der University of Iowa, der nicht an den Studien beteiligt war. „Allerdings zeigt keine der Studien, dass Patienten mit einer Kreuzreaktion nicht an Covid-19 erkranken.“

 

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