Mild oder schwer

Blutwerte ermöglichen Prognose über Covid-Verlauf

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Berlin -

Ein milder Covid-Verlauf wird von vielen, insbesondere jungen Patienten, mit einer normalen Erkältung verglichen. Anders sieht es bei den moderaten bis schweren Fällen aus – insbesondere ältere und vorerkrankte Menschen sind im fortgeschrittenen Verlauf auf eine intensivmedizinische Betreuung mit künstlicher Beatmung angewiesen. Immer mehr Studien zeigen, dass eine schwere Corona-Infektion mit Langzeitfolgen einhergeht. Nun haben Wissenschaftler erstmals einen Zusammenhang spezieller Blutparameter und dem bevorstehenden Covid-Verlauf aufzeigen können. Zwei Arten von Abwehrzellen lassen Prognosen darüber ermöglichen, ob der Patient leicht oder schwer erkranken wird.

Eine Studie an 40 Covid-Patienten aus Wuhan konnte zeigen, dass es möglich ist, anhand von zwei Blutparametern vorherzusagen, wie der bevorstehende Krankheitsverlauf des Erkrankten ausfallen wird. Die chinesischen Befunde konnten bei mehreren deutschen Patienten bestätigt werden, so Co-Autor Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie der Uniklinik Essen und Vizepräsident der Gesellschaft für Virologie. Um die Prognose abgeben zu können, betrachten die Forscher die Konzentration von zwei verschiedenen Abwehrzelltypen im Blut.

T-Killerzellen und neutrophile Granulozyten

Bei dem ersten Zelltyp handelt es sich um T-Killerzellen mit einem bestimmten Oberflächenmarker (CD8). Dieser ganz spezielle Zelltyp tötet virusinfizierte Körperzellen ab und unterbricht die Virusreplikation. Im Falle von Covid-19 heißt das, dass Sars-CoV-2 sich nicht mehr vermehren kann. „Wenn die Patienten nur wenige von diesen Zellen haben, haben sie ein hohes Risiko, schwere Symptome wie etwa eine Lungenentzündung oder Gerinnungsstörungen zu entwickeln“, erläuterte Dittmer, denn das körpereigene Immunsystem spreche nicht optimal auf das Virus an. Der andere Zelltyp ist die Gruppe der sogenannten neutrophilen Granulozyten. „Die sind eigentlich dafür da, Bakterien abzuwehren. Sie können aber auch T-Zellen in ihrer Funktion unterdrücken.“ In Blutproben mit vielen neutrophilen Granulozyten wurden folglich nur wenige T-Killerzellen gefunden, dieses Verhältnis war mit einem schwereren Krankheitsverlauf verbunden. „Besonders betroffen hat das Patienten mit Vorerkrankungen, die dazu führen, dass die Anzahl der T-Zellen abnimmt, etwa Patienten nach Transplantationen, die Medikamente zur Unterdrückung von Abstoßungsreaktionen erhalten“, sagte Dittmer.

Weiterhin betroffen seien onkologische Patienten unter einer Chemotherapie, ältere Personen, bei denen die Zahl der T-Zellen altersbedingt generell abnehme, oder adipöse Patienten. „Man weiß, dass übergewichtige Personen schwächere und weniger T-Zellen haben.“ An der Uniklinik Essen waren mehr als 70 Prozent der Patienten mit einem schweren Covid-19-Verlauf männlich und übergewichtig.

T-Zellen stimulieren

Um diese Erkenntnisse innerhalb einer Therapie nutzen zu können, sollte laut den Wissenschaftlern zu Beginn der Infektion der Versuch gestartet werden, die T-Killerzellen zu stimulieren. Die Forscher wiesen darauf hin, dass die Vitamine A und C die Funktion der T-Zellen verbessern könnten. Aktuell laufen sieben Studien, die die Wirksamkeit von Ascorbinsäure gegen die Infektionskrankheit untersuchen. Hoch dosiertes Vitamin C entfaltet prooxidative Wirkungen und beeinflusst epigenetische Prozesse. Forscher vermuten eine Wirksamkeit gegen Sars-CoV-2 aufgrund der zahlreichen antiviralen Effekte von Ascorbinsäure. Gleichzeitig geht man von einer Wirkung gegen den Zytokinsturm aus. Aber auch bestimmte Impfstoffe können das Immunsystem so stimulieren, dass die T-Killerzellen angeregt werden.

Eine weiterführende Studie zu diesem Thema sei zumindest in Deutschland aktuell schwierig, so Dittmer betonte, es gebe nicht mehr genügend Patienten. An der Uniklinik Essen habe es in der letzten Maiwoche keine einzige Covid-Neuaufnahme gegeben – in der ersten Juniwoche nur eine. Der Immunologe Michael Lohoff, selbst nicht an der Studie beteiligt, sieht den Befund positiv. „Ein sicherer Test, der eine prognostische Aussage über die zu erwartende Schwere einer COVID-19-Erkrankung zulässt, wäre sehr hilfreich“, sagte der Direktor am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Universität Marburg. „Man sollte diesen Befund unbedingt an weiteren Patienten, bevorzugt in einem anderen Erdteil, bestätigen – auch um so einen etwaigen Beitrag der Genetik der Patienten auszuschließen.“

T-Zellen sind eine Zellgruppe der Lymphozyten. Das „T“ steht für Thymus, hier findet die Ausdifferenzierung der Zellen statt. T-Zellen entstehen im Knochenmark. Von dort migrieren sie über die Blutbahn in den Thymus, wo sie MHC-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche ausbilden. MHC steht für Haupthistokompatibilitätskomplex. Es handelt sich um Proteine, die für die Immunerkennung von Bedeutung sind.

 

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