Analyse der Reformpläne

Treuhand: Notdienst rettet keine Apotheke

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Berlin -

Statt der versprochenen Honorarerhöhung enthält die geplante Apothekenreform zunächst lediglich einen Zuschlag für den Notdienst. Davon sollen vor allem Landapotheken profitieren. Doch laut Dr. Sebastian Schwintek, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover, sind das gar nicht diejenigen Standorte, die dringend auf Unterstützung angewiesen sein werden. Seine Interpretation: Die Politik hat sich für die schlichtweg günstigere Variante entschieden.

„Der Landapotheke geht es im Grundsatz besser“, sagte Schwintek beim Treuhand Dialog in Berlin. Das hänge mit geringerer Konkurrenz und niedrigeren Kosten zusammen. So verzeichnen laut Treuhand-Analyse 43 Prozent der Apotheken in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern ein Betriebsergebnis von unter 100.000 Euro. In Orten mit mehr als 10.000 Einwohnern sind es 35 Prozent und in ländlichen Regionen mit weniger als 10.000 Einwohnern nur 28 Prozent.

Die Erhöhung der Notdienstpauschale hat laut Schwintek kaum Auswirkungen auf diese ertragsschwachen Apotheken: In den Großstädten sinkt ihr Anteil aufgrund durchschnittlicher Mehreinnahmen in Höhe von 5500 Euro auf 40 Prozent – vorausgesetzt die Kosten bleiben stabil. In Städten reduziert sich der Anteil durch ein Plus von 9700 Euro auf 31 Prozent und in Dörfern durch 11.300 Euro zusätzlich auf 23 Prozent.

Notdienst-Plus ist billigere Lösung

„Für die Politik lässt sich die Erhöhung der Notdienstpauschale nicht nur besser verkaufen, sie ist vor allem viel billiger als die eigentlich erforderliche Honoraranpassung“, so Schwintek. Denn bei der eigentlich versprochenen Erhöhung des Fixums auf 9,50 Euro hätte sich der Rohertrag pro Apotheke im Durchschnitt bei 46.000 Packungen um 52.900 Euro erhöht – der Anteil ertragsschwacher Apotheken wäre in Großstädten deutlich auf 20 Prozent gesunken, in mittleren Städten auf 16 Prozent und auf dem Land auf 13 Prozent.

Dabei seien die Zahl der Apotheken, die aufgrund ihrer Lage in besonders strukturschwachen Gebieten wirklich Unterstützung bräuchten, gering: „Das sind vielleicht 100 Standorte, die könnte man im Grunde auch vollsubventionieren, ohne dass dies nennenswerte Kosten auslösen würde“, so Schwintek. Sein Vorschlag: „Wenn man ohne Anhebung des Fixums die Strukturen vor Ort stärken will, sollte man lieber überlegen, den Versendern einen größeren Teil wegzunehmen und in die Beratung zu investieren.“ Generell ist für ihn aber klar: „An einer Hohorarerhöhung kommen wir nicht vorbei.“

Apothekennotdienst bleibt defizitär

Immerhin: Durch die Verdopplung der Notdienstpauschale könnte der reine Nachtdienst in ein leichtes Plus drehen. Heute gibt es nach seinen Berechnungen Einnahmen in Höhe von 871 Euro – 270 Euro durch Warenverkauf, 45 Euro durch Notdienstgebühr und 556 durch Notdienstpauschale. Dem stünden Kosten in Höhe von 1124 Euro gegenüber, davon 888 Euro für Personal. Unter dem Strich stehe also ein Verlust von 253 Euro. Nach der Reform könnte die Notdienstpauschale auf 1112 Euro steigen, sodass bei gleich bleibenden sonstigen Einnahmen und leicht steigenden Kosten ein Plus von 227 Euro übrig bleibe. „Aber das ist auch nichts, wofür man sich die Nacht um die Ohren schlagen will.“

Und der 24-stündige Notdienst bleibe weiter defizitär, auch wenn sich der Verlust von 957 auf 511 Euro halbiere.

Dass das Skonto auf Rx-Medikamente wieder erlaubt werden soll, ist laut Schwintek ebenfalls nur ein kleines Trostpflaster: Einerseits sei bei den sinkenden Margen im Großhandel wohl auch nicht allzu viel drin, sodass das Ganze tatsächlich nur als Finanzierungsinstrument in Betracht komme und nur für die vorfristige Zahlung gewährt werde. „Wir sehen hier eine Chance vor allem für umsatz- und verhandlungsstarke Apotheken.“

Bei den geplanten Ausweitungen der Impfungen sieht Schwintek zwar erhebliches Potenzial von mehreren Millionen Patientinnen und Patienten. Aber die Deckungsbeiträge seien sehr gering. „Es wird also auf die Effizienz bei der Durchführung ankommen, das kann man hinbekommen, aber auch das kann die ausbleibende Honorarsteigerung nicht kompensieren.“

Kosten steigen weiter

Stattdessen sieht Schwintek weitere Herausforderungen auf die Branche zukommen: So führe der steigende Mindestlohn für geringfügig Beschäftigte wie Boten oder Reinigungskräfte zu Mehrkosten von 700 Euro pro Apotheke. Die im Januar anstehende Tariferhöhung schlage mit durchschnittlich 9500 Euro zu Buche.

Auch der Versandhandel werde womöglich weiter wachsen. Auch wenn der Marktanteil im Rx-Bereich derzeit gerade einmal bei 1,6 Prozent liege, könnten sich die Apotheken keine weiteren Abflüsse leisten, um nicht nur aufgrund des „Friedhofseffektes“ zu überleben. „Aktuell wird hier der Umsatz teuer erkauft, aber es steckt eben auch viel Power dahinter.“ Vor allem der Einstieg der Drogeriekette dm bereitet Schwintek große Sorgen: „Die sind bereits auf dem Handy von Millionen Menschen und genießen ein herausragendes Image.“

Für das laufende Jahr rechnet man bei der Treuhand mit einem Anstieg des Durchschnittsumsatzes von 3,7 auf 3,9 Millionen Euro (plus 6 Prozent). Grund seien der steigende Bedarf, der weiter wachsende Anteil an Hochpreisern, die anhaltenden Schließungen und die damit verbundene Umverteilung des Umsatzes sowie die Preissteigerung im OTC-Bereich. Obwohl der Wareneinsatz im ersten Halbjahr um 8,5 Prozent gestiegen sei, liege die Rohgewinnmarge stabil bei 3,3 Prozent. Auch die Absenkung des Kassenabschlags habe die Streichung des Skontos nicht ausgleichen können.

Vor allem aber seien die Kosten um 4,2 Prozent gestiegen. Daher rechnet man bei der Treuhand für das Gesamtjahr mit einem durchschnittlichen Betriebsergbnis von 164.000 Euro, was ungefähr dem Vorjahresniveau entspricht.

Dabei kommt im ersten Halbjahr das nach Umsatz schwächste Drittel der Apotheken (durchschnittlich 1,4 Millionen Euro) auf ein Betriebsergebnis von gerade einmal 10.000 Euro in sechs Monaten. Das mittlere Drittel (1,69 Millionen Euro) erzielt 68.000 Euro, das oberste Drittel (2,81 Millionen Euro) schließlich 166.000 Euro. Hintergrund ist bei in allen Gruppen der prozentual deutlich höhere Kostenanteil bei kleineren Apotheken.

Für Schwintek ist klar: Gäbe es die Verhandlungslösung schon, hätten die Apotheken längst die erforderliche Erhöhung. „Das lässt sich schon aus den Personalkosten ganz selbstverständlich ableiten.“ So aber würden die Apotheken im Vergleich zu den Ärzten weiter benachteiligt. Das Argument, dass es mehr Geld nur bei mehr Leistung geben könne, lässt Schwintek nicht gelten: „Das müssten Sie mal einem Lehrer sagen, dass er nur mehr verdient, wenn er mehr Klassen unterrichtet.“ Wahr sei aber auch, dass man mit der Politik nicht verhandeln könne. „Es muss einfach klar werden, dass die Apotheke vor Ort preislich nie mit einem Logistiker konkurrieren kann. Aber das wird eine ‚harte Rinde‘, wie man in Berlin sagt. Vor allem, wenn der Euro nicht mehr so locker sitzt.“

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