Die angespannte Finanzsituation der Krankenkassen war auch bestimmendes Thema beim Herbstfest des AOK-Bundesverbands. Die Vorstandsvorsitzende Dr. Carola Reimann freut sich, dass wenigstens die Anhebung des Apothekenhonorars vom Tisch ist. SPD-Gesundheitsexperte Christos Pantazis bemühte sich, den Apotheken eine Wertschätzung entgegenzubringen.
Trotz der vielfachen Beschwörungen herbstlicher Dynamik sei derzeit nicht mit schnellen Entscheidungen zu rechnen, erklärte Reimann. „Wir erwarten eher ein zähes Ringen und Kompromisse mit ungewissem Ausgang.“ Gleichwohl gebe es einen kleinen Hoffnungsschimmer für Reformen: Die Bundesregierung habe den Handlungsbedarf im deutschen Gesundheitswesen durchaus erkannt. Auch wenn in diesem Jahr keine Sofortmaßnahmen oder Vorschaltgesetze zu erwarten seien, sei den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung die angespannte Lage der Krankenkassen bewusst – und der Handlungsdruck wachse.
Ein Bereich, in dem mittlerweile „Realitätssinn“ eingekehrt sei, betreffe das Apothekenhonorar: Hier habe die Gesundheitsministerin erkannt, dass es nicht aufgestockt werden könne, lobte Reimann.
Auch Pantazis betonte die kritische Finanzlage: Die gesetzliche Krankenversicherung sei das Rückgrat des Gesundheitssystems. „Doch ihre finanzielle Lage ist – gelinde gesagt – dramatisch“, so Pantazis. Die jüngsten Anhebungen der Zusatzbeiträge seien ein deutliches Signal, wie sehr die Versicherten bereits in Vorleistung gegangen seien. Zwar hätten die Krankenkassen im ersten Halbjahr einen Überschuss erzielt, dieser diene jedoch ausschließlich dazu, die Reserven wieder auf das gesetzliche Mindestmaß aufzufüllen. Eine Finanzierungslücke von rund 4 Milliarden Euro bleibe bestehen – trotz Bundesdarlehen. Beitragserhöhungen für 2026 und womöglich auch 2027 seien daher nicht auszuschließen.
„Die Beitragszahler dürfen nicht weiter belastet werden“, fordert Pantazis. Versicherungsfremde Leistungen müssten endlich aus Steuermitteln gedeckt werden. Auch in der Pflegeversicherung sei die Lage angespannt. Vor diesem Hintergrund sei die Einsetzung einer Kommission ein wichtiger Schritt. Doch es dürfe nicht nur um kurzfristige Stabilisierung gehen, auch die Reformen aus der vergangenen Legislaturperiode müssten weiter entschlossen vorangetrieben werden. Dazu gehörten die Krankenhausreform, die Reform der Notfallversorgung, die Ambulantisierung und der Abbau von Bürokratie. Auch die Stärkung der Patientenrechte und eine umfassende Pflegereform blieben unverzichtbar.
Auch auf die angekündigte Apothekenreform kam Pantazis zu sprechen: Die Apotheken spielten in der Versorgungssicherung in der Fläche eine Schlüsselrolle. „Vor-Ort-Apotheken dürfen nicht länger nur als Abgabestellen für Medikamente gesehen werden. Sie müssen als Beratungsstellen und Orte der Prävention gestärkt werden.“ Gesundheit dürfe nicht allein als Kostenfaktor verstanden werden, sondern müsse als zentrales Element von sozialer Gerechtigkeit, Versorgungssicherheit und demokratischer Stabilität begriffen werden. „Wir sind als Koalition zum Erfolg verdammt“, so Pantazis.