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Apotheker müssen bei Aut-idem umdenken

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Berlin -

In dem Streit ging es nur um 12,35 Euro, doch das Urteil des Sozialgerichts Koblenz hat für die Apotheker Folgen: Bei Namensverordnungen mit Aut-idem-Kreuz dürfen auch Importarzneimittel künftig nicht mehr gegen das Original ausgetauscht werden – und umgekehrt. „Damit ist in den Apotheken ein grundsätzliches Umdenken erforderlich“, heißt es beim Deutschen Apothekerverband (DAV).

Auslöser ist eine Retaxation der Schwenninger Krankenkasse: Ein Apotheker hatte das namentlich verordnete Importarzneimittel von Kohlpharma abgegeben. Die von der Kasse beauftragte Abrechnungsstelle Emmendingen retaxierte den Apotheker wegen Nichtbeachtung des Rabattvertrags mit dem Originalhersteller. Dagegen hatte der Apotheker erfolgreich geklagt, das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.

Die Entscheidung hat die gesamte Branche aufgewirbelt: Zunächst hatte der GKV-Spitzenverband die Krankenkassen angeschrieben und sich dem Urteil quasi angeschlossen. Das Gericht habe „sehr nachvollziehbar“ dargelegt, dass die Entscheidung des Arztes, den Austausch nicht zu gestatten, für den Apotheker verbindlich sei.

Der DAV hat dieses Schreiben an die Geschäftsführer der Landesapothekerverbände (LAV) weitergeleitet und eine kurze Einschätzung hinzugefügt: Bislang habe der Austausch Original/Import nicht als Aut-idem-Substitution gegolten. Das Gericht habe dagegen jetzt entschieden, dass die Entscheidung des Arztes Vorrang habe, heißt es.

Der DAV weist noch darauf hin, dass aus der Verordnung klar hervorgehen müsse, welches Arzneimittel verordnet sei. Dabei reiche die eindeutige Bezeichnung, die Angabe der PZN sei aber nicht erforderlich. Ist das Arzneimittel nicht verfügbar, muss die Apotheke für eine Änderung mit dem Arzt Rücksprache halten.

Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) wird in einer Information an die Mitglieder noch konkreter: „Ist das verordnete Arzneimittel nicht lieferbar, so ist es erforderlich, dass der Arzt entweder eine neue Verordnung ausstellt oder die Verordnung mit Angabe von Datum und Unterschrift ändert.“ Das Bedrucken mit Sonder-PZN oder Nichtverfügbarkeit reiche künftig nicht mehr aus, so der AVWL.

Damit wird die bisherige Praxis auf den Kopf gestellt. Diese geht auf eine Stellungnahme aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) aus dem Jahr 2002 zurück. Als seinerzeit mit dem Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz (AAGB) die Aut-idem-Regelung eingeführt wurde, herrschte im Apothekerhaus Verwirrung. Was würde die Austauschpflicht für die Importklausel bedeuten?

Ministerialdirektor Dr. Erhard Schmidt, damals im BMG Leiter der Arzneimittelabteilung, schrieb am 4. April 2002 an den damaligen ABDA-Hauptgeschäftsführer Professor Dr. Rainer Braun: „Die Abgabeverpflichtung gilt somit weiterhin für namensgleiche, bzw. namensähnliche Importarzneimittel, die als identisch mit dem inländischen Originalpräparat gelten.“ Es handele sich somit nicht um eine „Ersetzung“, sondern um „Abgabe des 'Gleichen' zum günstigeren Importpreis“, so Braun.

Seitdem war für alle klar: Das Kreuzchen spielt bei Importen keine Rolle. Obwohl dieses Dogma so nicht im Gesetz steht, haben sich jahrelang alle daran gehalten. Nach dem aktuellen Urteil aus Koblenz droht den Apotheken eine Menge Mehraufwand.

Im Kassenlager hat das Urteil ebenfalls Verwirrung gestiftet. „Wir analysieren derzeit sowohl das Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands als auch das Urteil des SG Koblenz und prüfen das weitere Vorgehen“, so ein Sprecher der Barmer GEK.

Unverständnis äußern selbst Kassenvertreter über die Retaxation, die das Ganze ausgelöst hat. Bei Verordnungen mit Aut-idem-Kreuz würden normalerweise keine Absetzungen vorgenommen, hieß es bei mehreren Kassen.

So will es auch die Schwenniger Krankenkasse künftig halten. Man werde sich an das Urteil halten und Apotheken in diesen Fällen künftig nicht mehr retaxieren, sagte ein Sprecher. Weil das Sozialgericht sein Urteil gut begründet habe, sei die Kasse auch nicht in Berufung gegangen.

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