Sachsen/Thüringen

ARMIN: Pilotprojekt zum Pilotprojekt

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Berlin -

In der Diskussion um Medikationspläne und die Rolle der Apotheker wird immer wieder auf das Modellprojekt ARMIN in Sachsen und Thüringen verwiesen. Nur: Ein Medikationsmanagement findet dort noch gar nicht statt. Die dritte Stufe des Projekts wurde immer wieder nach hinten verschoben. Nun soll das Medikationsmanagement zunächst in einzelnen Apotheken erprobt werden – ein Pilotprojekt zum Pilotprojekt.

Problematisch war bei ARMIN immer die Beteiligung der Ärzteschaft. Von Anfang an waren die Mediziner nicht vollständig überzeugt von der Zusammenarbeit mit den Apothekern. Das wirkte sich auch auf die Hersteller von Praxissoftware aus, die wenig Interesse daran hatten, Erweiterungen zu entwickeln, die nicht genutzt würden.

Das zeigte sich bereits bei der ersten Stufe des Projekts, der Wirkstoffverordnung. Obwohl diese bereits im Juli 2014 gestartet war, gab es zu diesem Zeitpunkt nur eine Praxissoftware, die die Wirkstoffe in Codes umwandelte. Im Oktober folgten zwei weitere Anbieter, inzwischen haben weitere nachgerüstet.

Beim Medikationsplan zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. Daher wird ARMIN nun an das Projekt PRIMA gekoppelt, mit dem die gemeinsame Erstellung des Medikationsplans durch Arzt und Apotheker erprobt werden soll. Denn auch dafür werden Ärzte gebraucht, die mit einer Software ausgestattet sind, die die Kommunikation mit den Apothekern ermöglicht.

Erst ein Unternehmen hat die notwendigen Softwareanpassungen vorgenommen: Pega Elektronik aus Stuttgart. Die Software Pegamed ist laut KBV bundesweit in 745 Arztpraxen installiert – das entspricht einem Anteil von 0,63 Prozent. In Sachsen und Thüringen nutzen immerhin 250 Praxen das System; Geschäftsführer Peter Eismann kommt selbst aus Leipzig und glaubt an das Projekt.

Derzeit sucht die ABDA Apotheker und – mit Hilfe des Softwareherstellers – Ärzte, die sich an dem Projekt beteiligen. Zunächst sollen zwölf „Pärchen“ gebildet werden, um den Medikationsplan (PRIMA) und das Medikationsmanagement (ARMIN) zu erproben.

Bevor sie allerdings loslegen können, muss die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) das Projekt zertifizieren und freigeben. Denn die Kommunikation zwischen Apothekern und Ärzten erfolgt über das KV-Safenet, an das die Apotheken angebunden werden müssen. Bis zum Sommer rechnen die Partner in Thüringen mit der Freigabe durch die KBV. Dann kann das Vorprojekt beginnen.

Einer der Apotheker, die sich an dem Projekt beteiligen, ist Dr. Christian Wegner. Der Inhaber der Saale-Apotheke in Jena ist von ARMIN überzeugt: „Die Erfahrungen aus der Kommunikation von Ärzten, Apothekern und Patienten zeigen, dass es sehr viele Unklarheiten im Umgang mit der Medikation gibt. Wir brauchen mehr Transparenz bei der Verordnung.“

Laut Wegner ist ARMIN „absolut geeignet“, um den sachgerechten Einsatz von Arzneimitteln und die Compliance zu fördern. Dass die Kassen das Projekt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sehen, sei legitim. Der Apotheker, der mit der Firmengruppe Medipolis auch in den Bereichen Versandhandel, Verblisterung, Sterilherstellung und Homecare aktiv ist, findet auch den Start im kleinen Rahmen sinnvoll: „Wenn es technische Probleme geben sollte, müssen die vor dem Roll-Out beseitigt sein.“

Dass die Apotheker auf Bundesebene in Sachen Medikationsmanagement bislang nichts erreicht haben, sieht er gelassen: „Das ist eigentlich unerheblich für unser Modell. ARMIN ist soweit fortgeschritten, dass es nicht aufzuhalten sein wird.“ Er kennt die Vorbehalte einiger Ärzte, ist aber überzeugt, dass die Ergebnisse des Pilotprojekts zu einem Umdenken führen werden – übrigens auch bei seinen eigenen Kollegen: „Ich kenne die Zurückhaltung gerade bei kleineren Apotheken, die nicht wissen, wie sie ein Medikationsmanagement personell betreuen sollen. Aber wenn die Vergütung steht, dann werden die Apotheken die Ressourcen schaffen, um mitspielen zu können.“

Bevor das Medikationsmanagement allerdings in die Fläche gehen kann, müssen nicht nur weitere Softwareanbieter nachziehen, sondern auch die Datenschützer ihren Segen geben. In dieser Sache haben sich die ARMIN-Projektpartner an Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragten Dr. Thilo Weichert gewandt. Er gilt als einer der strengsten Datenschützer in Deutschland und hat sich bereits Apothekenrechenzentren, Datenlieferungen und Direktbestellungen aus Apotheken vorgenommen. Das Gutachten ist derzeit in Arbeit.

Da ein Datenschutz-Gütesiegel nur für ARMIN beantragt wurde, können die Apotheken im Rahmen von PRIMA bereits vorher das Medikationsmanagement erproben. Die Projektpartner sehen daher die Chance, mit den vorhandenen Möglichkeiten die dritte Stufe des Modellprojekts schon früher zu erproben. Spätestens im vierten Quartal soll die auf ein halbes Jahr angelegte Pilotphase für ARMIN beginnen. 201 Mediziner und 446 Apotheker sind in Sachsen für das Modell eingeschrieben, in Thüringen sind es derzeit 326 Ärzte und 460 Apotheken.

Auf ein Startdatum für ARMIN III wollen sich die Beteiligten noch nicht festlegen – auf zu viele Punkte habe man keinen Einfluss, so ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KV) mit Blick auf die Integration in Praxis- und Apothekensoftware, KBV-Zertifizierung und Datenschutz-Gütesiegel. Immerhin hätten bereits andere Softwareanbieter angekündigt, ihre Produkte noch im Sommer nachrüsten zu wollen.

Bereits im Frühjahr wurden die Prozesse des Medikationsmanagements erprobt: Für knapp zehn Patienten führten Apotheker Brown-Bag-Checks durch und analysierten den Kenntnisstand der Patienten zur Einnahme. Die Informationen gaben sie an Ärzte weiter, die den Medikationsplan erstellten. Der Apotheker ergänzte abschließend die konkreten Präparate.

Die teilnehmenden Ärzte resümierten laut gemeinsamer Mitteilung der Projektpartner, dass durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit die Betreuung multimorbider Patienten verbessert und ihre Versorgung damit optimiert werden konnte. Dr. Tobias Schuhbauer, Facharzt für Allgemeinmedizin aus Glashütte, sagte: „Manchmal schleichen sich bei Patienten objektiv nicht nachvollziehbare 'Einnahmeriten' ein. Diese kann der Apotheker erkennen und den Patienten entsprechend beraten.“

Die teilnehmende Apothekerin Anja Leistner aus Lichtentanne bestätigt: „Im Gespräch mit dem Patienten konnten viele Anwendungsprobleme erkannt und gelöst werden.“ Die Patienten seien sehr offen und dankbar für die Zeit gewesen, die sie sich für sie und ihre Probleme genommen habe. „Solch ein intensiver Austausch über die gesamte Medikation ist für Apotheker eine neue und interessante Aufgabe.“

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