Retaxationen

BSG stellt Verjährungsfrist infrage

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Berlin -

Je nach Liefervertrag haben die Krankenkassen ein bis zwei Jahre lang Zeit, um die Abrechnung von Leistungserbringern zu prüfen. Doch die vereinbarten Fristen können unter Umständen nichtig sein: Wenn die Kassen in komplexen Fällen länger brauchen, können sie auch später noch Ansprüche geltend machen. Zu diesem Ergebnis kommt das Bundessozialgericht (BSG) in einem Urteil zu Zytorezepturen.

Im konkreten Fall ging es eigentlich um die Frage, ob ambulante Behandlungen durch dazu ermächtigte Klinikärzte abgerechnet werden können, wenn sie letztendlich zu einem stationären Aufenthalt führen. Eine Patientin hatte die Chemotherapie mit Carboplatin nicht vertragen und eine Nacht im Krankenhaus bleiben müssen.

Für den Krankenhausaufenthalt stellte die Klinik der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland 601,93 Euro in Rechnung; zusätzlich berechnete sie für die in der Klinikapotheke hergestellte Zytorezeptur 2663,43 Euro. Die Kasse zahlte zunächst, forderte dann aber die Rückzahlung der Kosten für die Infusionslösung, weil diese während der stationären Behandlung abgegeben worden und daher von der Vergütung für die Krankenhausbehand­lung umfasst seien.

Das Sozialgericht Speyer (SG) gab der Klinik Recht: Die Medikamente seien im Rahmen der ambulanten Chemotherapie verord­net worden und nicht Teil der stationären Krankenhausbehandlung, die zu dieser Zeit weder begon­nen habe noch vorgesehen gewesen sei. Auch das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) wies die Berufung der Kasse zurück.

Das BSG schloss sich dieser Sichtweise an: Die Kosten der Medikamente seien nicht mit der Vergütung der stationären Behandlung abgegolten, weil die ambulante Chemotherapie nicht durch das Krankenhaus, sondern durch den zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten Chefarzt durchgeführt worden war. „Insoweit steht der ermächtigte Arzt einem in eigener Praxis tätigen Vertragsarzt gleich.“

Der Umstand, dass die Patientin wegen unvorhersehbarer Komplikationen stationär behandelt werden musste, führt laut Gericht nicht dazu, dass die gesamte Versorgung als einheitliche Behandlung zu werten ist.

Anders sei der Fall womöglich zu beurteilen, wenn sich an eine zunächst ambulant begonnene Therapie „typischer- und vorhersehbarerweise“ eine stationäre Aufnahme anschließt – die Behandlung also von vornherein stationär hätte durchgeführt werden müssen. „Das ist bei der Chemotherapie aber nicht der Fall.“

Das LSG hatte zuvor auch moniert, dass die Kasse ihre Ansprüche nicht rechtzeitig binnen Jahresfrist beanstandet hatte und dass diese damit verjährt seien. Diese Frage wollte das BSG mangels Notwendigkeit für das Urteil nicht beantworten. Generell seien aber Umstände denkbar, in denen rahmenvertraglich vereinbarten Fristen nichtig seien.

„Wenn eine Abrechnungsprüfung der vorliegenden Art, bei der Daten der ambulanten und der stationären Versorgung zusammenzuführen sind, innerhalb der vertraglich zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern vereinbarten Jahresfrist strukturell nicht durchgeführt werden kann, wäre die Vereinbarung einer so kurzen Frist – sollte sie auch diese Fälle erfassen – insoweit nicht mit höherrangigem Recht vereinbar“, so das BSG. „Ein strukturell bedingter Ausschluss effektiver Prüfungen bestimmter Arzneimittelverordnungen und Leistungsabrechnungen verstößt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot.“

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