Spahns „schmutziges und teures Erbe“

Maskenbeschaffung: 90 Klagen gegen das BMG anhängig

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Berlin -

Der Bund hat immer noch mit dutzenden Klagen von Maskenlieferanten zu kämpfen, die sich durch das Vorgehen des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) geprellt sehen. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) summiert sich der Streitwert mittlerweile auf 425 Millionen Euro.

Der Bund sitzt auf einem riesigen Haufen OP- und FFP2-Masken – und wird es schwer haben, sie noch loszuwerden. 2,3 Milliarden Masken beträgt der aktuelle Bestand – ein großer Teil davon kann allerdings nur noch in naher Zukunft genutzt werden. Das geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke hervor, die dem Wirtschaftsmagazin Capital vorab vorliegt. Demnach endet das Verfallsdatum bei gut der Hälfte der 330 Millionen FFP2-Masken und mehr als der Hälfte der zwei Milliarden OP-Masken noch 2022 oder 2023.

Außerdem seien seit Beginn der Pandemie mehr als 800 Millionen gelieferte Masken für die Verwendung gesperrt worden, weil sie die sogenannten Qualitätsprüfungen des BMG nicht bestanden haben, heißt es in der Antwort. Jene Qualitätsprüfungen spielen eine bedeutende Rolle in den Gerichtsverfahren zwischen BMG und Maskenlieferanten. Denn das Prüfverfahren, mit dem das BMG ein externes Unternehmen beauftragt hatte, kam gar nicht in der Ausschreibung vom Frühjahr 2020 vor: Die Zentralstelle der Länder (ZLS) hatte das von der europäischen Norm EN 149 vorgesehene Prüfverfahren angepasst und den neuen „Prüfgrundsatz für Corona SARS-Cov-2 Pandemie Atemschutzmasken“ (CPA) eingeführt. Das BMG wiederum hatte diesen neuen Prüfgrundsatz in Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) noch einmal modifiziert.

BMG ändert Prüfung

Diese Prüfung hatten die gelieferten Masken nicht bestanden. Das BMG informierte daraufhin die Lieferanten über die behauptete Mangelhaftigkeit eines großen Teils der Lieferung und erklärte den Rücktritt vom Vertrag. Die Lieferanten wollen das nicht akzeptieren und klagten deshalb gegen das BMG. Fast zwei Jahre später sind deshalb laut BMG mittlerweile 90 Verfahren anhängig.

Da das BMG den damaligen Mangel an Schutzmasken trotz teils chaotischer Verhältnisse auf dem Weltmarkt schnell zu beheben versuchte, setzte Spahn damals auf ein Open-House-Verfahren, bei dem der Zuschlag durch einfachen Beitritt zustande kam. Dadurch musste der Bund letztendlich jedoch ein Vielfaches mehr an Angeboten für Masken annehmen als geplant. In zahlreichen Fällen trat er im Nachhinein von Verträgen zurück und machte dabei Qualitätsmängel oder verspätete Lieferungen geltend. Aus Sicht der Kläger waren das vorgeschobene Gründe, um rechtswidrig von den geltenden Kaufverträgen zurückzutreten und das zugesagte Geld nicht zahlen zu müssen.

Millionen für Beraterfirmen

Die bisher entschiedenen Verfahren zeigen dabei ein gemischtes Bild: Im März 2021 hatte das Landgericht Bonn (LG) die Klage eines Lieferanten abgewiesen, andere Verfahren gingen jedoch bereits zu deren Gunsten aus. Ende November beispielsweise verurteilte das LG das BMG zur Nachzahlung von 2,42 Millionen Euro – auch, weil es nicht rechtswirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten und stichhaltige Nachweise über die behaupteten Qualitätsmängel schuldig geblieben sei.

Die Linksfraktion, die die jüngste Anfrage stellte, übt scharfe Kritik an Spahns Beschaffungspolitik und dem Umgang mit den Lieferanten. „Jens Spahn hat Karl Lauterbach mit dem Maskenchaos ein schmutziges und teures Erbe hinterlassen“, sagte der finanzpolitische Sprecher, Christian Görke, gegenüber Capital. „Ich erwarte, dass Herr Lauterbach im Ministerium durchfegt und für lückenlose Aufklärung sorgt. Das Maskenchaos von Jens Spahn war teuer und hat kostbares Vertrauen in den Staat verspielt.“ Zudem dürften Ministerien „keine Daueraufträge an Beraterarmeen vergeben und so zur Goldgrube für Berater werden“, so Görke, der damit auf den Umstand anspielt, dass nach Angaben des BMG bisher 36,8 Millionen Euro an die Beratungsfirma EY geflossen sind – allein für die Unterstützung bei der Abwicklung der Masken-Aufträge.

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