ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Überfragte Kundin: Komplett falsch beraten

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Berlin -

Oma Schmidtchen wollte eigentlich nur ihr Rezept einlösen, kommt aber einfach nicht zum HV-Tisch vor. Ständig muss sie beraten: Ob er sein Gelomyrtol vor oder nach dem Essen einnehmen soll, hat sie ein Kunde gerade gefragt. Woher soll Schmidtchen das wissen? Schuld ist wieder mal Karl Lauterbach…

Der Gesundheitsminister hat in sein Lieferengpass-Albtraum-Gesetz nämlich eine Änderung des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) beschlossen. Seitdem sollen Patient:innen nicht mehr „Arzt oder Apotheker“ zu Risiken und Nebenwirkungen befragen, sondern „Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke“. Seitdem kommen mehrmals täglich Kund:innen in die Süd-Apotheke gerannt und fragen IRGENDWEN, ob sie ACC in Ginger Ale auflösen dürfen oder was man tun kann, wenn man sich „aus Versehen mit Voltaren die Zähne geputzt“ hat.

Als ein junger Mann Oma Schmidtchen ohne Begrüßung fragt: „Aber EIN Bier zum Paracetamol ist doch okay, oder?“, schreitet Inhaber Tim Lummersee ein. „Nein, das ist nicht okay. Und es ist auch nicht okay, dass wir Apotheker jetzt gar nicht angesprochen werden.“ PTA Amelie hebt eine Augenbraue, Oma Schmidtchen kichert vergnügt.

Am Abend fährt Lummersee noch die Nachlieferungen persönlich aus. Plötzlich wird ihm die Tragweite der neuen Formulierung bewusst. Drei Kund:innen lässt er verdattert zurück, als er mit zusammengepressten Lippen und kopfschüttelnd zum Botenroller rennt und davonbraust. Zurück in der Apotheke ruft er die Betroffenen sofort an: „Jetzt bin ich wieder in der Apotheke und darf Sie beraten. Was hatten Sie noch gleich für eine Frage zu ihrem Arzneimittel?“ „Nein, nein, das ist es nicht“, antwortet die Kundin. „Aber da war ein 50 Cent Stück in der Tüte, gehört das Ihnen?“ Lummersee läuft eine stumme Träne über die Wange. Er schluckt und sagt mit erstickter Stimme: „Können Sie behalten.“

Mal im Ernst: Die kleine Anpassung des Pflichttextes ist nun wirklich die harmloseste Änderung, die mit dem ALBVVG beschlossen wurde. Viel gravierender sind die mickrigen 50 Cent (aufgerundet 21 Euro), die die Apotheken für ihr tagtägliches Engpassmanagement bekommen sollen. Die Abda hofft wie bei den Abgaberegeln aufs Parlament, will aber keinesfalls auf ein höheres Fixum einklagen.

Besonders bitter dürfte es vielen Inhaber:innen schmecken, dass die Großhändler dasselbe Engpass-Honorar erhalten. Man muss auch gönnen können und fraglos entsteht auch bei ihnen Mehraufwand – aber sicher nicht im gleichen Ausmaß wie in der Offizin. Der Großhandelszuschlag könnte für die Apotheken sogar noch mehr Aufwand bedeuten und schlimmstenfalls für Chaos bei der Abrechnung sorgen. Die Details hat Minister Lauterbach mal wieder anderen überlassen.

So richtig zufrieden ist niemand: Die Kassen finden, dass Lauterbach der Pharmaindustrie zu viel Geld gibt – Stichwort Festbeträge und Rabattverträge. Die Hersteller sind der Meinung, dass das kaputte System nicht mit solchen Mikromaßnahmen geheilt werden kann. Und ein AOK-Fürst vertritt die spannende Auffassung, dass die Apotheken die Abgaberegeln missbrauchen, weil es gar nicht so viele Engpässe gebe, wie behauptet. Wir haben im Podcast gewettet, ob noch Zahlen kommen.

Und damit den Apotheker:innen und PTA im Alltag nicht langweilig wird, kommt jetzt noch das Diabetes-Adipositas-Management dazu: Bei Ozempic sollen die Apotheken wegen des Dauerengpasses nämlich künftig die Indikation prüfen, rät das BfArM.

Wer sich über Ostern vielleicht einen halben Tag vertreten lassen will, sollte vor der Deutschen Rentenversicherung (DRV) gewarnt sein. Die fandet immer mal wieder nach Scheinselbstständigen und belästigt die Pharmazeut:innen mit endlosen Fragebögen. Viel Spaß bei der Ostereiersuche!

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