Verzweifelte Patienten in der Praxis

Ärztin kritisiert IKK classic: „Riesenproblem“ ohne Apotheken

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Berlin -

Die Kündigung des Hilfsmittelversorgungsvertrags zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und der IKK classic trifft nicht nur Apotheken – auch Arztpraxen sehen sich damit konfrontiert. Dr. Ilka Enger warnt, dass die wohnortnahe Versorgung gefährdet ist, wenn Apotheken durch derartige Entscheidungen wirtschaftlich unter Druck geraten. „Wir brauchen für die Versorgung unserer Patienten die Apotheke vor Ort.“ 

Enger ist Internistin mit diabetologischem Schwerpunkt im oberpfälzischen Neutraubling im Landkreis Regensburg und Vorsitzende der Interessengemeinschaft Medizin (IG Med). Die Kündigung des Hilfsmittelversorgungsvertrags zwischen dem DAV und der IKK classic zu Ende Juni ist auch in ihrer Praxis ein gegenwärtiges Thema. „Als diabetologische Schwerpunktpraxis betrifft es bei uns unter anderem Nadeln und Lanzetten. Wir haben viele Patienten, die ihre Hilfsmittel bislang immer von ihrer Apotheke vor Ort bekommen haben und nicht wissen, wie es jetzt weitergeht.“

Chaos bei der IKK

Eine Patientin habe in ihrer Not direkt bei der IKK angerufen – „und der Mitarbeiter wusste dann selber nicht, wohin die Dame muss“, berichtet Enger. Irgendwann habe die Patientin auf der Website der Kasse gesehen, dass es eine versorgende Apotheke im rund 20 Kilometer entfernten Regensburg gibt. „Für jemanden, der über 80 ist und nicht mehr Auto fährt, ist das schwierig.“

Eine Online-Bevorratung ist laut Enger nicht unbedingt praktikabel – vor allem, wenn Technikbezug und Know-how fehlen. „Es ist wirklich patientenunfreundlich. Für uns in der Praxis heißt das, dass die Patienten bei uns auftauchen und fragen, ob wir helfen können. Es ist auch für uns ein Ärgernis.“

Dass Versicherte wegen der Hilfsmittelsituation ihre Kasse verlassen, kann sich Enger gut vorstellen, auch wenn „die meisten ihrer Krankenkasse treuer sind als jedem Geldinstitut. Aber unter den aktuellen Umständen kann es durchaus sein, dass jemand sagt: Okay, mir reicht es jetzt.“

„Riesenproblem“ ohne Vor-Ort-Apotheken

Enger weiß, dass sich der Ärger über die neuen Gegebenheiten auch auf die Vor-Ort-Apotheken überträgt. „Die stehen an vorderster Front und müssen erklären, warum sie nicht mehr versorgen können – obwohl sie es bislang immer getan haben.“ Ein weiteres Problem erkennt die Ärztin in der Haltung von Familienmitgliedern oder Bekannten der Betroffenen, „die dann sagen: Bestell es doch einfach bei Shop Apotheke oder DocMorris“.

Der daraus resultierende Umsatzverlust für die Apotheken betreffe die Arztpraxen zwar nicht unmittelbar – aber: „Wir sind als Ärzte durchaus auf unsere Apotheken vor Ort angewiesen, weil sie unsere Patienten unmittelbar versorgen.“ Als Vorsitzende der IG Med betont Enger, dass es Arztpraxen sehr wohl treffe, wenn Apotheken schließen müssen und sich das Apothekensterben weiter fortsetzt. „Shop Apotheke oder DocMorris schicken im Zweifelsfall auch mal ein Rezept mit der Begründung, dass sie es nicht beliefern können, zurück. Wenn es dann keine Apotheke vor Ort mehr gibt, die einspringen kann, habe ich ein Riesenproblem.“

Den Apotheken vorzuwerfen, dass sie an ihrer Situation selbst Schuld sind, ist laut Enger zu kurz gedacht. „Wir brauchen für die Versorgung unserer Patienten die Apotheke vor Ort.“ Wenn man ihnen Steine in den Weg lege und daraus resultierend die Umsätze fielen, „dann wird es schwierig – auch für uns“.

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