Von der PTA zur Maskenverkäuferin

Ich will meinen Job zurück!

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Berlin -

Der PTA-Beruf: Eigentlich hatte ich ihn gelernt, weil mich Medikamente und deren Wirkung schon immer fasziniert haben. Ich wollte verstehen, wie die Arzneistoffe im Körper wirken und wie man verschiedenste Erkrankungen und Wehwehchen behandeln kann. So abgedroschen es klingt – ich wollte Menschen helfen. Doch seit Corona hat sich der Beruf zunehmend verändert: Anstelle von Medikamenten wandern hauptsächlich Masken über den HV-Tisch. Die Beratung beschränkt sich auf die Verwendung und den Umgang mit selbigen. Manchmal wünsche ich mir meinen „alten Job“ zurück – mit allen Ecken und Kanten, die er nun mal hat. Ein Kommentar von Cynthia Möthrath.

Die Erinnerungen an meine letzte richtig ausführliche Beratung werden zunehmend blasser. Früher – also „vor Corona“ – kam ich mir manchmal ein bisschen vor wie Sherlock Holmes: Gemeinsam mit den Kunden habe ich versucht herauszufinden, welches Mittel für sie nun das Beste ist oder warum es beispielsweise immer wieder zu Blaseninfekten oder Fußpilz kommt. Okay, manche Indikationen gehörten nicht grade zu meinen Herzensthemen, und einige Beratungen waren auch wirklich grenzwertig: Zum Beispiel, wenn Schuhe, Socken und Hosen ausgezogen wurden, um zu demonstrieren, wo genau es denn wehtut und wie genau der Ausschlag aussieht. Aber selbst darüber würde ich mich jetzt manchmal freuen, denn Corona hat auf eine gewisse Art und Weise viel Distanz in die Apotheke gebracht – und genau das ist es, was wir NICHT gebrauchen können.

In den vergangenen Jahren sind mir Erkältungsberatungen manchmal echt auf die Nerven gegangen, wenn der hundertste Kunde mit dem Wunsch nach „etwas richtig Gutem“ in die Offizin kam. Aber ganz ehrlich? Ich vermisse sie – die einfachen und die komplizierten Beratungen. Ich vermisse es, mich über Kopfschmerzen, Schnupfen, Allergien, Hautausschläge, Fußpilz, Blasenentzündungen, ja sogar über Hämorrhoiden zu unterhalten. Denn alles, worüber ich derzeit mit Kunden spreche, sind Masken. Große, kleine, weiße, bunte, chirurgische, selbstgenähte, hochwertige und billige Masken. Wie man sie verwendet und anzieht, wie lange man sie tragen kann, wie teuer sie sind und und und…

Ich bin von der pharmazeutischen Fachkraft zur Maskenverkäuferin degradiert worden – so zumindest fühlt es sich oft an. Tag für Tag kommen hunderte Menschen in die Apotheke; die wenigsten möchten aber eine intensive Beratung. Der Großteil kommt lediglich, um sich kostenlose Masken abzuholen. Andere nehmen zu ihrem Rezept mit den Dauermedikamenten noch ein paar Masken mit – „die werden wir ja noch eine Weile brauchen“. Oft verläuft die Abgabe kurz und knapp mit den nötigsten Worten. Schließlich will man schnell wieder nach Hause. Manchmal kommen jedoch noch immer Fragen zur Maske auf – ja, sie sind lästig und es sind immer die gleichen.

Aber irgendwie kommt da der Grundgedanke, warum ich den Beruf gelernt habe, zumindest teilweise wieder durch: Denn ich helfe den Menschen noch immer – nur auf andere Art und Weise. Vielleicht ist das gerade genau die Art von Hilfe, die die Menschen brauchen. Und wenn ich einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, Ängste zu nehmen und Sicherheit zu vermitteln in diesen verrückten Zeiten, dann mache ich das gerne. Denn auch das gehört irgendwie zu meinem Job dazu, finde ich.

Aber es stimmt: Der Apothekenalltag ist nicht mehr kunterbunt, er erstrahlt oft in einem Fächer aus verschiedenen, langweiligen Grautönen. Doch manchmal sind sie da, die Kund:innen und Kolleg:innen, die dennoch ein bisschen Farbe in unseren Grauschleier bringen, den Corona uns auferlegt hat. Sie bringen bunte Farbkleckse in die Offizin: Sei es durch liebe Worte, ein ernstgemeintes Dankeschön für unseren Einsatz oder kleine Aufmerksamkeiten wie Schokolade oder Blumen. Und letztlich muss man sich an diesen bunten Farbklecksen orientieren – erst recht, wenn die Welt um uns herum gerade ziemlich grau erscheint.

Denn irgendwann wird der Corona-Schleier einreißen: Zuerst sind es vielleicht nur kleine Löcher und Perforationen. Aber dann werden die Risse immer größer und irgendwann, wenn wieder ein wenig „alte Normalität“ eingekehrt ist, können wir vielleicht auch wieder das tun, was uns den Beruf hat erlernen lassen: Ausgiebig zu allen erdenklichen Themen beraten und Lösungen finden. Und bis dahin sollten wir uns nicht beirren lassen. Im Gegenteil: Wir können die Chance nutzen, um unser vorhandenes Wissen aufzufrischen und zu erweitern, denn der „neue alte Alltag“ kommt wieder früher als gedacht – irgendwann.

 

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