Anspruch auf Platz im Beirat

Lieferengpässe: Reimporteure verklagen BMG

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Berlin -

Die Parallelimporteure haben ein Platz im Beirat gegen Lieferengpässe bekommen. Der Verband „Die Arzneimittel-Importeure“ musste dafür allerdings gegen das Bundesgesundheitsministerium (BMG) klagen.

Bereits im April 2020 hatten die Parallelimporteure die Aufnahme in den Beirat beantragt. Nachdem mehrere Nachfragen erfolglos blieben, hakte der Verband, damals noch Verband der Arzneimittel-Importeure Deutschland (VAD), im September 2023 nach Inkrafttreten des Engpassgesetzes (ALBVVG) noch einmal nach. Immerhin war nun in bestimmten Fällen eine verpflichtende Anhörung des Beirats vorsehen. Doch das BMG wies das Ansinnen ab: Es gebe keinen Rechtsanspruch für namentlich nicht genannte Verbände und Organisationen.

Daraufhin klagte der Verband vor dem Verwaltungsgericht Köln (VG). Er sei ein maßgeblicher Spitzenverband im Sinne des Gesetzes, denn er vertrete die Interessen von 13 Unternehmen, auf die rund 90 Prozent des Umsatzes mit parallel- und reimportierten Arzneimitteln entfielen. Die direkten Einsparungen für die Krankenkassen lägen bei 400 Millionen Euro pro Jahr, hinzu kämen indirekte Einsparungen in Höhe von jährlich insgesamt rund 4,4 Milliarden Euro.

Gericht verpflichtet BMG

Das VG teilte diese Ansicht und verpflichtete das BMG per Urteil zur Aufnahme der Parallelimporteure in den Beirat. Der Verband habe einen Anspruch auf Benennung, da er ein maßgeblicher Spitzenverband im Sinne von § 52b Abs. 3b Arzneimittelgesetz (AMG) sei. Dem BMG stehe kein Ermessensspielraum mit der Folge einer ablehnenden Entscheidung zu.

Angesichts der Umsätze der Mitgliedsunternehmen könne dem Verband eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung nicht abgesprochen werden. „Auch spricht alles dafür, dass der Kläger und die von ihm vertretenen Mitgliedsunternehmen über eine erhebliche Expertise in Bezug auf die Versorgungslage und die unterschiedlichen Bezugsmöglichkeiten von Arzneimitteln im europäischen Raum verfügen. Denn gerade auf der Ausnutzung bestehender Preisdifferenzen beruht ihr gesetzlich gebilligtes Geschäftsmodell.“ Es sei also wahrscheinlich, dass der Verband im Beirat „Maßgebliches“ zur Versorgungslage beizutragen habe.

Bei der Zusammensetzung des Beirats komme es maßgeblich auf die Sicherstellung einer „hinreichenden Repräsentation der Interessen und einer Pluralität in der Beobachtung und Bewertung der Versorgungslage mit Arzneimitteln“ an, so das VG. Nach der Konzeption des Gesetzgebers gehe es nicht nur um die Bewertung der Versorgungsrelevanz eines Lieferengpasses, sondern auch um die Berücksichtigung bestehender Therapiealternativen. „Das schließt Kenntnisse zur Verfügbarkeit des Mittels und Kostenkalkulationen ein. Dabei bietet der Parallelimport eine logische und gesetzlich zulässige Variante zur Erschließung alternativer Bezugswege.“

Dass der Verband, wie vom BMG ausgeführt, nichts beizutragen habe oder das erforderliche Fachwissen bereits anderenorts verfügbar sei, ist für das VG nicht nachvollziehbar. „Dies gilt auch für den Einwand, der Parallelimport vermehre die Anzahl der in der Europäischen Union verfügbaren Arzneimitteleinheiten nicht. Diese – für sich genommen sicher zutreffende – Aussage besagt nichts zu der Frage konkret realisierbarer Bezugswege.“

Auf Vielfalt kommt es an

Selbst wenn bei anderen, bereits im Beirat vertretenen Verbänden, Organisationen und Behörden bereits Erkenntnisse vorliegen sollten, komme es nicht nur auf die Expertise der Hersteller und Vernetzung der Behörden an. Die Parallelimporteure hätten nachvollziehbar vorgetragen, dass sie über spezielle Kenntnisse verfügten, welche Arzneimittel und welche Mengen in der jeweiligen Situation im EU-Ausland für den Parallelimport zur Verfügung stünden und nach Deutschland verbracht werden könnten, um Versorgungsengpässen zu begegnen. „Da eben dieses Wissen das Geschäftsmodell der Mitgliedsunternehmen trägt, ist hiergegen schwerlich etwas einzuwenden. Es ist im Interesse aller Beteiligter, möglichst frühzeitig ein umfassendes Bild des nationalen wie des internationalen Marktes und der zur Verfügung stehenden Arzneimittelmengen zu erhalten, um Versorgungsengpässen vorzubeugen.“

Auch mit Blick auf die vorgeschriebene angemessene und kontinuierliche Bereitstellung von Arzneimitteln durch Hersteller und Großhändler spreche für die Einbindung aller relevanten Marktteilnehmer. „Unterschiedliche Sichtweisen und Spezialkenntnisse sind dabei unabdingbar, solange – wofür nichts vorliegt – die Effektivität der Arbeit des Beirats nicht in Frage gestellt ist.“ Ein Status als Gast genüge nicht, da damit keine vergleichbaren Rechte und Pflichten einhergingen und eine kontinuierliche Beobachtungs- und Bewertungsfunktion nicht verbunden sei.

Die Aufnahme hat nach dem Urteil sehr zeitnah stattgefunden; schon zur nächsten Sitzung will der Verband mit am Tisch sitzen und versuchen, seine Expertise einzubringen.

Der beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelte Beirat beschäftigt sich mit der kontinuierlichen Beobachtung und Bewertung der Versorgungslage mit Arzneimitteln. Gab es ab 2016 zunächst einen „Jour Fixe“ zu Lieferengpässen, dem Hersteller, Großhandel, Ärzte- und Apothekerschaft sowie BMG, BfArM, Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und die Überwachungsbehörden der Länder angehörten, wurde mit dem „Gesetz für einen fairen Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung“ im März 2020 der Beirat eingeführt.

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