Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV) ist mit der Notfallreform nicht zufrieden. Auf der einen Seite sollten die Mediziner noch mehr Leistungen übernehmen, auf der anderen Seite gebe es immer noch kein Dispensierrecht im Notdienst.
Insbesondere die Pläne für eine „Zweite Offizin“ in den Integrierten Notfallzentren (INZ) findet der HÄV nicht gut: „Es ist nicht nachvollziehbar, warum an dieser Stelle komplizierte juristische Konstrukte und Vereinbarungen geschaffen werden, um die Rechtsfiktion einer Abgabe von Medikamenten durch eine öffentliche Apotheke zu erhalten, während gleichzeitig die berufsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten der Apotheker zulasten anderer Berufsgruppen deutlich erweitert werden“, heißt es in der Stellungnahme des Verbands.
„Einfacher und juristisch sauberer wäre eine Regelung, die es zum Beispiel den Betreibern von Notdienstpraxen und INZ ermöglicht, eine fest definierte Zahl an Medikamenten in der Notfall- und Akutversorgung (beispielsweise festgelegt durch eine Expertengruppe der Selbstverwaltung) direkt abzugeben und hierfür auch die volle Verantwortung zu übernehmen.“ Angesichts des fortschreitenden Rückgangs von Vor-Ort-Apotheken in der Fläche stehe zu befürchten, dass ansonsten in immer mehr Regionen keine Apotheken als Kooperationspartner zur Verfügung stünden. „Die direkte Abgabe von Medikamenten durch die INZ kann hier eine dringend benötigte Entlastung für die verbleibenden Apotheken bieten.“
Die Idee der INZ wird grundsätzlich positiv bewertet, allerdings werden noch Klarstellungen gefordert. So sei die direkte Inanspruchnahme klar abzulehnen. „Regelhaft sollte dem Besuch eines INZ vielmehr eine telefonische oder digitale verpflichtende Ersteinschätzung vorausgehen, die Patientinnen und Patienten ausschließlich in den dafür erforderlichen Fällen in die INZ leitet (verbindliches Ticket-System). Nur so kann sichergestellt werden, dass INZ-Strukturen auch vonseiten der Patientinnen und Patienten rational in Anspruch genommen werden beziehungsweise dass die Mehrzahl der Anfragen direkt in die reguläre ambulante Versorgung gesteuert werden kann.“
„Nur mit einer konsequenten Notfallreform werden Patientinnen und Patienten in den kritischsten Momenten endlich besser versorgt“, so die Bundesvorsitzenden Professor Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier. Mit den zentralen Pfeilern der Reform – einer besseren telefonischen Verzahnung, einer digitalen Notfall-Ersteinschätzung und einer Vorfilterung am Tresen – setze das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf die richtigen Maßnahmen. „An anderer Stelle biegt die Reform aber leider in die völlig falsche Richtung ab.“
Dass Ärztinnen und Ärzte parallel zu ihren Praxisöffnungszeiten auch noch telemedizinisch und aufsuchend notdienstlich tätig sein sollen, schaffe Doppel- und Dreifachstrukturen, die weder notwendig noch finanzierbar noch personell leistbar seien. „Man tut so, als würde die Decke immer länger, wenn man nur kräftiger daran zieht. Aber die Ressourcen sind erschöpft. Eine bessere, schnellere und effizientere Versorgung wird es nur geben, wenn wir, statt immer neue Anlaufstellen zu schaffen, endlich auf mehr Verbindlichkeit und klare Strukturen setzen – auch beim Weg in die Notaufnahmen.“
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