Rücktritt der Wissenschaftler

Glaeske schießt scharf

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Der Rücktritt des Beirats zur Vorbereitung eines verstärkten Finanzausgleichs zwischen den Krankenkassen lässt die Zweifel am Gesundheitsfonds weiter wachsen. Die Opposition erneuerte am Donnerstag in Berlin ihre Forderung, den Anfang 2009 geplanten Fonds zu kippen.

Wegen Meinungsunterschieden über den geplanten stärkeren Finanzausgleich zwischen den mehr als 200 Krankenkassen war der sechsköpfige Beirat beim Bundesversicherungsamt (BVA) geschlossen zurückgetreten. Der Beiratsvorsitzende Professor Dr. Gerd Glaeske, Gesundheitsökonom aus Bremen, sagte, Hintergrund des Schritts sei, dass der „Spagat zwischen Rechtssicherheit und politischen Zielen einerseits und wissenschaftlicher Begründbarkeit andrerseits“ gewachsen sei. Die Arbeit des Beirats habe ausschließlich den Finanzausgleich, aber nicht den Fonds und seine Einführung betroffen. Beides soll allerdings gemeinsam zum 1. Januar 2009 eingeführt werden.

Das Bundesgesundheitsministerium teilte mit, das BVA wolle den Finanzausgleich in einigen Punkten anders als von den Wissenschaftlern empfohlen verändern. Das BVA will dem Vernehmen nach nun eine Liste mit 80 Krankheiten vorlegen, die gegenüber einem Vorschlag des Beirats vom Januar verändert ist. Gesetzliche Kassen mit vielen Versicherten, die unter diesen Krankheiten leiden, erhalten von den anderen Kassen Zuschläge.

Dabei geht es um viel Geld. Bereits der bisherige Finanzausgleich nach Einkommen, Geschlecht und Alter der Kassenmitglieder steuert mit geschätzten 14,5 Milliarden Euro 2007 auf eine Rekordsumme zu. Dem Vernehmen nach sollen nun auch Volksleiden wie Bluthochdruck oder Asthma pauschal in den Finanzausgleich aufgenommen werden. Dies kommt großen Versorgerkassen wie den AOK noch stärker zugute.

Nach Kritikerwarnungen werden den Kassen dann aber Anreize genommen, solche Krankheiten durch bessere Gesundheitsförderung einzudämmen. Das BVA will ungeachtet dessen nach einer Anhörung der Kassenverbände im Juli endgültige Pläne vorlegen. Dass in der seit Jahren geplanten Weiterentwicklung des Finanzausgleichs politischer Sprengstoff steckt, zeigte sich schon während der mühsamen Aushandlung der Gesundheitsreform 2006. Bis zuletzt zählte der Bereich zu den strittigsten Punkten.

Die Betriebskrankenkassen, die zu den Geberkassen zählen, werteten den Finanzausgleich als richtig, warnten aber vor falschen Anreizen gegen den Kassen-Wettbewerb. „Trotz eines Finanzausgleichs muss wirtschaftliches Handeln belohnt und nicht bestraft werden“, sagte Sprecherin Ann Hörath. Birgitt Bender, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, warnte, der dringend benötigte krankheitsbezogene Finanzausgleich zwischen den einzelnen Kassen sei in Gefahr. Daniel Bahr von der FDP hingegen wertete es als „Skandal“, dass die Milliarden-Umverteilung nun aufgrund einer BVA- Behördenentscheidung kommen solle. Beide forderten, die Fonds-Pläne zu stoppen.

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