Kommentar

Der Erbsenzähler

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Berlin -

Seine Light-Filialen verkauft Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gerne als Reform, die den Apotheken die Arbeit leichter machen soll. Dass sie nun ernsthaft unter Bürokratieabbau geführt werden, zeigt: Lauterbach ist ein ahnungsloser Erbsenzähler.

Wenn er bei Markus Lanz sitzt, gibt Lauterbach gerne den Superminister. Dann fabuliert er über unterschiedliche Lebenserwartungen in Europa, brandmarkt das deutsche Gesundheitswesen als „super teuer und extrem ineffizient“ und schimpft über die Blockade der Lobbygruppen. Chuck Norris, könnte man meinen, ist nichts gegen diesen tapferen Mann mit seiner – das lässt er selbst gelegentlich einfließen – Harvard-Erfahrung.

Mit Kleinklein hält sich so jemand nicht auf, wenn man mal von dem einen oder anderen politischen Manöver absieht, das dazu dient, die Berufsvertretungen und deren berechtigte Interessen auf Abstand zu halten. Was zählt, ist das angeblich große Ganze, und das geht er, wie er bekundet, mit „großem Ehrgeiz“ an. Dass dabei Erinnerungslücken entstehen, muss niemanden verwundern. Wie sagte Lauterbach neulich? „Die Details spielen keine Rolle.“ Genau.

Doch allzu weit scheint der Ehrgeiz am Ende doch nicht zu reichen. Stichwort: Bürokratieabbau. Seit zwei Jahren schiebt die Koalition das Thema vor sich her; laut GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sollte Lauterbach bis Ende September 2023 Empfehlungen erarbeiten. Doch statt dieses für Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker und alle anderen Leistungserbringer im Gesundheitswesen wohl wichtigste Projekt beherzt anzugehen, hat Lauterbach auf den letzten Drücker ein dünnes Eckpunktepapier abgeliefert – das Dokument trägt das Datum des 30. September, die Datei wurde erst am 7. November erstellt. Fakenews Marke Lauterbach.

Wirklich auseinander gesetzt hat man sich im Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit den Widrigkeiten und Erfordernissen des Versorgungsalltags nicht. Lauterbach hat sich nicht mit den Heilberufen getroffen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Bei den wenigen Terminen, die stattgefunden haben, ging es um Lauterbachs Agenda und wurden die Vertreter, wie der KBV-Chef es unlängst offen formulierte, zu Kronzeugen vermeintlicher Absprachen gemacht.

Lauterbachs Ideen zum Bürokratieabbau sind eine Mogelpackung. Statt Dokumentations- und andere überflüssige Pflichten zu streichen, die den Apotheken das Leben schwer machen und die die Freie Apothekerschaft bereits vor einem halben Jahr anhand von 200 Stichpunkten aufgelistet hatte, verkauft er seine Liberalisierungsfantasien als geeignete Maßnahmen.

Aber Lauterbach hat dabei einen Fehler gemacht. 9 Millionen Euro an Einsparungen sollen die Light-Filialen bringen – ein Kleckerbetrag für den Systemumbruch. Und selbst dieser Betrag ist nur dann zu erreichen, wenn alle bestehenden Filialen umgewidmet werden – was Lauterbach ja angeblich selbst nicht will.

Im Grunde hat er seinen Kritikern damit selbst das wichtigste Gegenargument an die Hand gegeben: Lauterbach ist kein Visionär, er ist ein Kleingeist.

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