Bundesverwaltungsgericht

Kammerpflicht in zwei Ländern

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Berlin -

Apotheker und Ärzte sind zwar „freie Heilberufe“, einem können sie aber nicht entgehen: ihrer Kammer. Die Mitgliedschaft ist verpflichtend, egal wie man persönlich zur Organisation steht. Je nach Tätigkeit müssen sie sogar in zwei Kammern Mitglied sein – und Beiträge zahlen. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht.

Geklagt hatte eine Tierärztin aus Bayern. Sie ist in Hofheim in Unterfranken in einer Tierklinik angestellt, die überregional landwirtschaftliche Betriebe mit Großtierbeständen betreut. Als Spezialistin für Klauenerkrankungen wird sie in mehreren Bundesländern sowie im Ausland eingesetzt. Sie ist Mitglied eines tierärztlichen Bezirksverbandes der Landestierärztekammer Bayern. Rund ein Viertel ihrer Arbeit verrichtet sie aber im benachbarten Thüringen.

Im Zusammenhang mit der Ermittlung wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) teilte die Landestierärztekammer Thüringen der Tierärztin im Mai 2008 mit, dass sie aufgrund ihrer tierärztlichen Tätigkeit in Thüringen verpflichtet sei, sich bei ihr anzumelden. Als die Tierärztin die Anmeldung verweigerte, verhängte die Kammer in Thüringen ein Ordnungsgeld von 1000 Euro, verpflichtete sie zur Beibringung der Anmeldeunterlagen und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 1500 Euro an.

Die Tierärztin klagte im Januar 2009 und hatte vor dem Verwaltungsgericht zunächst Erfolg. Doch im Berufungsverfahren hob das Oberverwaltungsgericht Thüringen (OVG) das Urteil auf und wies die Klage ab. Revision zum BVerwG wurde nicht zugelassen. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde von den Leipziger Richtern jetzt abgewiesen.

Apotheker sind grundsätzlich in zwei Kammern Zwangsmitglied: ihrer Berufskammer sowie der Industrie- und Handelskammer. Doch auch sie können dazu verpflichtet sein, in zwei Apothekerkammern Beiträge zu zahlen, wenn sie etwa eine Filialstruktur über Landesgrenzen hinweg betreiben.

Die Belastung verdoppelt sich in diesem Fall jedoch nicht, da die Kammerbeiträge meist umsatzbezogen sind und die Apotheken in einem Filialverbund dann jeweils nur in einem Kammergebiet berücksichtigt werden. Die Frage der doppelten Mitgliedschaft stellt sich in dieser Konstellation auch für Angestellte in den Apotheken, wenn sie diesseits und jenseits einer Landesgrenze in Filialen tätig sind.

In dem aktuellen Fall hatte die Tierärztin vorgetragen, dass sie zu etwa 36 Prozent in Bayern tätig sei, zu 29 Prozent in Thüringen, zu 20 Prozent in Sachsen, jeweils geringfügig in Hessen und Baden-Württemberg sowie zu 13 Prozent im Ausland tätig sei. Eine generelle, an den jeweiligen Tätigkeitsort gebundene Pflichtmitgliedschaft würde sie in ihren Grundrechten verletzen, da sie mit dem Äquivalenzprinzip nicht vereinbar sei. Theoretisch könne nach der Argumentation der Kammer eine Pflichtmitgliedschaft in 16 Tierärztekammern bestehen, das sei unzumutbar. Ein Tierarzt könne beispielsweise Pferde auf einer Turnierreise betreuen.

Die Berufsaufsicht sei ebenfalls keine Rechtfertigung, so die Tierärztin. Eine Kammer müsse nämlich auch aufsichtsrechtlich tätig werden, wenn sie Berufspflichtverstöße im Zuständigkeitsbereich einer anderen Kammer ereigneten.

Doch aus Sicht der Thüringische Kammer sind Wohnort und Ort der Berufsausübung Anknüpfungspunkt der Kammermitgliedschaft. Gemäß der von der Tierärztin vorgelegten Unterlagen sei sie sogar zu 36 Prozent in Thüringen tätig. Damit sei die Voraussetzung für eine Pflichtmitgliedschaft erfüllt, von der die Tierärztin ja auch profitiere. Die Zugehörigkeit zu mehreren Versorgungswerken sowie die doppelte Beitragspflicht sah die Kammer nicht als Hinderungsgrund. Dafür gebe es Sonderregelungen. Ohne die Möglichkeit der Mehrfachmitgliedschaft würde die Tierärztin jedenfalls keiner Berufsaufsicht unterliegen. Dass dies theoretisch auch noch mehr Kammern und Mitgliedschaften betreffen könnte, war laut Gericht nicht zu prüfen.

Das OVG gab der Kammer Recht. Die Tierärztin sei Mitglied der Kammer in Thüringen, da sie in deren Gebiet tätig sei. Gemeint sei nicht nur eine „überwiegende Berufsausübung in Thüringen, sondern grundsätzlich jede Berufsausübung im Land, also auch Tätigkeiten in einem geringen quantitativen Ausmaß“, heißt es im Urteil aus dem Jahr 2014. Eine etwaige Bagatellgrenze sei jedenfalls überschritten.

Die Ärztin untersuche in Thüringen Tiere, nach der Diagnose erfolge auch die Erstmedikation oft direkt durch die Tierärztin. Ihr obliege das Fruchtbarkeitsmanagement, die Prüfung der Futterqualität und insbesondere die Kontrolle der Klauen. Der Umfang ihrer Tätigkeit sei relevant im Sinne des Heilberufegesetzes.

Die Doppelmitgliedschaft sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, so das OVG. „Erfüllen zwei Kammern jeweils legitime öffentliche Aufgaben, ist gegen die Pflichtzugehörigkeit zu beiden Kammern dann nichts zu erinnern, wenn der Aufgabenkreis in sachlicher und örtlicher Hinsicht divergiert“, heißt es im Urteil. Der Thüringer Gesetzgeber habe ein gewichtiges Interesse an der möglichst effektiven Erfüllung der der Kammer zugewiesenen Überwachungs-, Koordinierungs- und Qualitätssicherungsaufgaben, heißt es weiter.

Revision zum BverwG wurde nicht zugelassen. Die Beschwerde dagegen blieb ohne Erfolg. Die Tierärztin wollte in Leipzig klären lassen, ob die doppelte Mitgliedschaft in zwei Kammern mit identischen Aufgabenkreisen gegen das Grundgesetz verstoße. Laut BVerwG sind die Aufgabenkreise der beiden Kammern aber gerade nicht identisch.

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