Arzneimittelrecht

EuGH: Keine Auskunft für Patienten?

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Berlin -

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) beschäftigt sich derzeit mit dem deutschen Haftungsrecht bei Arzneimitteln. Konkret geht es um den Auskunftsanspruch: Der stellt sicher, dass betroffene Patienten von Pharmafirmen die Informationen erhalten, die sie für eine Schadensersatzklage brauchen. Der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk setzt allerdings darauf, dass diese Regelung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Geklagt hatte eine Patientin: Bei ihr war es in Folge der Behandlung mit Levemir (Insulin detemir) zu einer Lipoatrophie gekommen. Um Schadenersatzansprüche geltend machen zu können, verlangte sie Auskunft über das Arzneimittel. Vor dem Landgericht Berlin wurde ihrer Klage stattgegeben; die Berufung von Novo Nordisk wurde vom Kammergericht Berlin abgewiesen. Daraufhin legte der Konzern Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein.

Die Richter in Karlsruhe wollten zunächst keine Entscheidung treffen und wandten sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH): Der soll klären, ob die EU-Produkthaftungsrichtlinie aus dem Jahr 1985 Ausnahmen im deutschen Arzneimittelgesetz (AMG) erlaubt.

Mit der Produkthaftungsrichtlinie sollten Verfälschungen des Wettbewerbs und Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs verhindert werden. In der Richtlinie wurde aber auch festgelegt, dass bereits bestehende Regelungen im Arzneimittelbereich weiterhin gelten können.

Diese Ausnahme gilt aus Sicht von Generalanwalt Maciej Szpunar zwar auch für die Haftungsregelungen im AMG, nicht aber für den darin festgelegten Auskunftsanspruch. Denn dieser wurde erst 2005 eingeführt. Es sei aber ein wesentliche Aspekt der Richtlinie, dass sie „zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie bestehende“ Regelungen umfasse. Die deutsche Regierung und die EU-Kommission hatten argumentiert, dass sich die Ausnahme auf die Haftungsregelung generell beziehe – unabhängig davon, ob sie bereits in Kraft getreten oder später eingeführt worden sei.

Allerdings hat der Auskunftsanspruch wahrscheinlich trotz dieser Interpretation weiter Bestand: Denn laut Szpunar strebt die Regelung keine Beweislastumkehr an, sondern erlaubt den Geschädigten lediglich Zugang zu Informationen. Damit falle der Auskunftsanspruch nicht unter den Regelungsbereich der Produkthaftungsrichtlinie. Die Regelung dieses Aspektes werde daher den Mitgliedstaaten überlassen. Die Richter des EuGH sind an die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts nicht gebunden. In den meisten Fällen folgen sie aber seiner Empfehlung.

In einem anderen Verfahren hatte zuletzt das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) entschieden, dass die Patienten keinen kausalen Zusammenhang nachweisen müssen, um die geforderten Daten erhalten zu können: Anders als beim späteren Schadenersatzanspruch reiche es für den Auskunftsanspruch aus, dass Einnahme des Arzneimittels und der Schaden in einem zeitlichen Zusammenhang stünden und eine kausale Beziehung damit plausibel erscheine.

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