Bereits im April wandte sich der Apotheker Felix Maertin, Inhaber der Rhein-Apotheke in Karlsruhe und Erster Vorsitzender der Gruppe Karlsruher Apotheker, an AOK-Chefin Dr. Carola Reimann. Er wollte wissen, wieso stets die Apotheken wegen ihrer Kosten kritisiert und Einsparungen gefordert werden, und nicht die Krankenkassen, die einen deutlich größeren Kostenblock der Gesamtausgaben ausmachten. Doch die Kasse stellt auf Durchzug. So leicht will sich der Apotheker jedoch nicht geschlagen geben.
„Regelmäßig kritisieren Sie die Kosten der Apotheken, nachdem faktisch 20 Jahre keine Honorarerhöhung dort stattgefunden hat“, leitete Maertin seinen Brief ein. Gleichzeitig machten die Verwaltungskosten der Krankenkassen rund 4,5 Prozent der Gesamtausgaben aus und damit mehr als doppelt so viel wie die Apotheken mit einem Anteil von sogar unter 2 Prozent. „Und das bei deutlich weniger Mitarbeiter:innen, die den Hauptanteil der Kosten ausmachen“, erklärte er.
„Könnten Sie mir erläutern, ob ich die Zahlen falsch lese, oder die Krankenkassen hier ein Ausgabenloch nicht im Blick haben?“, wollte der Apotheker wissen. Doch eine Antwort der AOK-Chefin blieb aus.
Im September – nach den Äußerungen von Reimann auf dem AOK-Herbstfest – versuchte es der Apotheker ein zweites Mal. Reimann hatte gelobt, dass die Gesundheitsministerin das Apothekenhonorar in der Reform nicht angehoben hatte. Wenigstens in diesem Bereich sei „Realitätssinn“ eingekehrt.
„Apotheken sind Daseinsvorsorge“, betonte Maertin. „Die Zerstörung dieser Struktur, die Sie mit Ihrer Haltung unterstützen, führt eben auch (teilweise) zu einer Spaltung in diesem Land.“ Die AfD stelle sich gerne vor schließenden Apotheken auf und mache genau an diesem neuralgischen Punkt Druck. „Diese erkennen immerhin das Problem, auch wenn die AfD nicht die Lösung ist.“
„Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht und erhalten Sie ein System, dass weniger als 2 Prozent der Kosten ausmacht, in der Wahrnehmung und Versorgungsrelevanz aber ein Vielfaches davon bedeutet“, appellierte er.
Die unbeantwortete Frage der ersten E-Mail ließ sich der Apotheker aus Spaß einfach einmal von ChatGPT beantworten. Seine genaue Frage an den Chatbot schickte er gleich in der Mail mit: „Prompt: Wenn Apotheken nur 2 Prozent der Kosten verursachen, Krankenkassen aber über 4,5 Prozent, dabei aber viel mehr Personal beschäftigen für das wenige Geld → sollte man bei Krankenkassen sparen oder Apotheken?“
Apotheken leisteten mit vergleichsweise geringem Mitteleinsatz sehr viel für die Versorgung – oft unter hohem Druck, nachts, am Wochenende, mit Notdiensten, erklärte demnach die KI. Der „Gegenwert“ für ihre 2 Prozent sei direkt sichtbar beim Patienten. Dass Krankenkassen mehr als das Doppelte an Kosten verursachten, sei dagegen ein Indiz für Effizienzpotenzial: Digitalisierung, Vereinfachung von Verwaltungsakten oder Fusionen kleiner Kassen könnten hier ansetzen, so der Vorschlag des Chat-Bots.
Außerdem würden durch ein Einsparen bei Apotheken Versorgungslücken, Medikamentenfehler und Therapieabbrüche riskiert, was langfristig sogar teurer für das System werden könnte. Bei der Verwaltung einzusparen, hätte dagegen kaum Einfluss auf die Versorgungssicherheit.
„Apotheken sind unterfinanziert für das, was sie leisten. Krankenkassen sind überfinanziert für das, was sie verwalten. Wer also sinnvoll sparen will, sollte dort ansetzen, wo es den Patienten nicht direkt trifft – also bei den Kassen, nicht bei den Apotheken“, so die Zusammenfassung des Chat-Bots. Auch diese Mail blieb ohne Antwort.
Anfang November versuchte Maertin es ein drittes Mal. Diesmal richtete er seine Anfrage auch an den stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesverbands, Jens Martin Hoyer. Er erklärte erneut: Die Kosten der Apotheken seien weniger als 2 Prozent der Gesamtausgaben, dagegen die Kosten der Verwaltung mehr als 4,5 Prozent der Gesamtausgaben. Der größte Kostenposten innerhalb dieser Gruppe, die Personalausgaben, läge bei der GKV bei knapp 67 Prozent, bei Apotheken bei circa 63 Prozent.
„Nun ein Blick auf die Angestelltenzahl und siehe da: Die GKV gibt pro Vollzeitäquivalent fast das 2,2-Fache pro Angestelltem aus. Oder anders gesagt: Apotheken sind um diesen Faktor effizienter als die Verwaltung. Und das als echte Versorger und nicht als Verwalter“, betonte er. Würde man diese Effektivität auf die GKV anwenden, würden sich jedes Jahr rund 5 Milliarden einsparen lassen.
„Sie beteiligen sich an der Zerstörung der Daseinsvorsorge der Bürgerinnen und Bürger. Zusammen mit einer Wortbruch-Politik der Union verunsichern Sie die Menschen und tragen zum Erfolg der antidemokratischen Parteien bei“, kritisierte der Apotheker scharf. „Schaffen Sie nicht neue Probleme, sondern finden Sie echte Lösungen. Dies gilt für die Krankenkassen wie das BMG. Es wurde lange genug weg geschaut.“ Auch diese E-Mail blieb unbeantwortet.
Am 12. November startete der Apotheker einen weiteren Versuch. Diesmal richtete er sich zusätzlich auch an Oliver Blatt vom GKV-Spitzenverband – und packte eine ganze Liste von weiteren Adressaten in CC, darunter auch Gesundheitsministerin Nina Warken, die beiden Karlsruher Abgeordneten Nicolas Zippelius (CDU, Karlsruhe-Land), Parsa Marvi (SPD, Karlsruhe-Stadt) und jeweils die Fraktionen SPD, Union und Grünen.
Reimann und Hoyer seien sich einig, dass Apotheken keine Honoraranpassung nach 13 Jahren erhalten sollten. Blatt habe zuletzt auf dem Pharmadialog die „optimierten Verwaltungsausgaben“ der Verwaltung gelobt.
„Wie erklären Sie sich, dass Apotheken, am Personalaufwand gemessen, doppelt so effektiv sind wie die Verwaltung?“, fragt der Apotheker nun. Er sei schon lange auf der Suche nach einer Antwort auf diese Frage. Doch auch Gesundheitspolitiker hätten es nicht erklären können. „Ich würde es aber gerne unseren 50 Mitgliedsapotheken erklären und den verbliebenen 16732 Apotheken in Deutschland. Wieso bekommt ein Versorger nur die Hälfte eines Verwalters? Wer trägt unmittelbar zur Gesundheit bei?“