Einstieg in Fremd- und Mehrbesitz

„Apotheke light“: Juristen warnen vor Dammbruch

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Berlin -

Die „Light-Filialen“ sind ein Bestandteil der Apothekenreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Beim Apothekenrechttag schlugen Expertinnen und Experten Alarm: Dieser vermeintlich kleine Eingriff habe systemzerstörende Wirkung, so die eindringliche Warnung der Juristen.

„Ich finde das Konzept schwierig“, so Kieser. Schließlich sei die Verantwortung der Pharmazeuten wichtig – und die Grundlage des Apothekenrechts sei es, dass die Abgabe und Beratung unter pharmazeutischer Verantwortung erfolge. Mit der „Apotheke light“ werde eine Schleuse geöffnet – ohne dass man wisse, in welche Richtung es gehen werde. Oder ist den Verantwortlichen vielleicht doch schon klar, was die Folgen sein werden? „Wenn man das fortdenkt, wird es die Apotheke, wie wir sie kennen, in 20 Jahren nicht mehr geben.“

Gesamtstruktur in Gefahr

Man dürfe sich nicht davon blenden lassen, dass Lauterbach sein Konzept als Zugeständnis an die Apotheken verkaufe: „Das mag alles auf den ersten Blick gewisse Vorteile haben, aber für die Gesamtstruktur und das gelebte Apothekenwesen halte ich das für ein ganz, ganz großes Problem“, so Kieser weiter.

„Dieser vermeintlich kleine Eingriff hat systemzerstörende Wirkung“, findet auch Ina Hofferberth, Geschäftsführerin des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg. „Damit wird der Grundsatz der Apotheker in seiner Apotheke aufgegeben und dann fällt das System wie Dominosteine.“

Hofferberth schilderte, wie die Abwärtsspirale aussehen könnte: „Von der PTA in der Apotheke mit dem Bildschirm, wo der Apotheker in seiner Hauptapotheke weit weg die Beratung vornehmen soll, bis zu einem Arzneimittelausgabeautomaten auch mit Videobildschirm à la Hüffenhardt – der Weg ist juristisch gesehen nur noch ein gradueller.“ Aus ihrer Sicht werden solche Automaten auch in Supermärkten, Drogeriemärkten aufgestellt – also überall, wo es sich lohnt. „Das ist das Ende der freien öffentlichen Apotheke, dem niedergelassenen Apotheker als freien Beruf. Und es wird keine 20 Jahre dauern. Das wird schneller gehen.“

Im Übrigen gebe es PTA nicht im Überfluss, der Fachkräftemangel sei da. Dann komme es zum weiteren Aufweichen der Personalvorgaben – und dann stelle sich die womöglich Frage, welche Berechtigung es überhaupt noch gebe, Arzneimittel besonders zu behandeln.

Fremdbesitzverbot verliert Rechtfertigung

„Das gesamte Gefüge, das mit Fremdbesitzverbot, mit dem Apotheker in seiner Apotheke, aufeinander und in sich greifend aufbaut, das verliert dann seine Statik – und seine Rechtfertigung“, findet auch Professor Dr. Elmar Mand. „Juristen wissen ja: Eine Einschränkung der Berufsfreiheit – und das ist es ja – ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie in sich kongruent ist. Wenn wir jetzt derartige Dinge zulassen mit dem Argument, dass es im Einzelfall funktioniert, dann bedeutet das im Grunde, dass wir eine inkonsistente Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit vornehmen. Und die ist unwirksam. Allein deshalb, weil sie inkonsistent ist“, so Mand.

Damit könne man mit juristischen Mitteln weitere Grundpfeiler des Apothekenrechts – inklusive Fremd- und Mehrbesitz – schnell beseitigen. „Das ist die Folge. Ob das jetzt nun beabsichtigt oder klug ausgedacht ist oder nicht, oder ob es einfach nur ein Begleiteffekt ist, den man im Kauf nimmt, möchte ich gar nicht kommentieren. Aber in der Tat ist es so.“

Dr. Christian Rotta erwartet zudem einen extremen Verdrängungswettbewerb zu Lasten der Apotheke, wie wir sie heute kennen. Welchen Grund gebe es noch, die ökonomischen Nachteile in Kauf zu nehmen und eine Vollapotheke zu betreiben? Die Hauptgefahr liege im Absinken der Versorgungsqualität aufgrund der Verdrängung von Vollapotheken durch Zwergapotheken, so Rotta.

Was ist die Lösung?

Wie stehen die Chancen, dass noch gegengesteuert werden kann? Mand ist skeptisch: „Das ist ja geschickt gemacht im Papier, das kann man ja nicht anders formulieren. Unterstellt wird ja, dass wenn man das nicht tut, dann wird es noch schlimmer. Deshalb glaube ich nicht, dass wir mit dem Argument der Versorgungsqualität durchdringen können – gerade weil die Gegenseite ja argumentiert, dass es sowieso so schlimm kommt oder noch schlimmer, wenn wir nichts tun.“

Noch gibt es keinen Referentenentwurf, dieser wird aber erwartet. Dann können juristische und verfassungsrechtliche Möglichkeiten geprüft werden, so Hofferberth. Parallel müssen die Berufsorganisationen politische Überzeugungsparteien bei den Regierungsparteien leisten – auch bei der Opposition. Es müsse auf die Probleme und Konsequenzen hingewiesen und Druck von unten nach oben ausgeübt werden, um zu überzeugen.

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