Virusporträt, Symptome & Impfung

Polio: Was ist eigentlich Kinderlähmung?

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Berlin -

Heute vor 20 Jahren wurde Europa poliofrei. Die Infektionskrankheit ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den Hintergrund gerückt – es wäre gefährlich, wenn sie in Vergessenheit gerät. Denn das Virus ist vor allem für Kinder gefährlich und kann schwerwiegende Folgen haben. Impfungen stellen den wesentlichen Baustein zur Prävention dar.

Die Poliomyelitis – besser bekannt als Polio – wird von unbehüllten Viren ausgelöst. Sie gehören zu den Enteroviren und sind daher bei niedrigem pH-Wert stabil. Dadurch können sie den Magen-Darm-Trakt unbekümmert passieren. Außerdem sind sie gegen verschiedenste proteolytische Enzyme resistent. Aufgrund der fehlenden Lipidhülle können auch verschiedene Substanzen ihnen nichts anhaben. Insgesamt werden drei verschiedene Serotypen unterschieden.

Kinderlähmung: Welche Symptome sind möglich?

Aufgrund der weiten Verbreitung waren Polioerkrankungen früher vor allem bei Kindern ein Problem. Dadurch prägte sich der Name „Kinderlähmung“, welcher bis heute Verwendung findet und die gravierendsten Züge der Krankheit gut beschreibt – allerdings wird zwischen verschiedenen Formen mit und ohne ZNS-Beteiligung unterschieden.

Die gravierendste Form ist die sogenannte „Paralytische Poliomyelitis“: Dabei kommt es zu Rücken-, Nacken- und Muskelschmerzen durch eine aseptische Meningitis. Nach einer Besserung tritt dann häufig Fieber mit motorischen Paresen auf. Mediziner:innen sprechen auch von einem biphasischen Verlauf, der vor allem bei Kindern auftritt. Meist betrifft die motorische Schwäche die Muskulatur von Beinen, Armen, Bauch, Thorax und Augen. Üblicherweise treten die Lähmungen symmetrisch auf.

Die Folgen der Erkrankung

Die Lähmungen können sich zwar zurückbilden, in den meisten Fällen jedoch nicht vollständig. Viele Jahre oder auch Jahrzehnte nach der Erkrankung kann es erneut zu Paresen und einer Muskelatrophie kommen. Eine spezifische Therapie gibt es nicht, daher wird rein symptomatisch behandelt. Auch nach der Infektion werden oft lange physiotherapeutische und orthopädische Nachbehandlungen erforderlich. Viele Betroffene sind daher in ihrer Entwicklung und der Lebensqualität enorm eingeschränkt. Oftmals sind sie auf Gehhilfen oder einen Rollstuhl angewiesen.

Wichtige Fakten zu Ansteckung & Übertragung

Übertragen wird das Poliovirus fäkal-oral: Im Darm vermehrt es sich schnell, sodass über den Stuhl große Mengen ausgeschieden werden und sich weitere Personen anstecken können. Auch in den Rachenepithelien kann sich das Virus vermehren und kurz nach der Infektion aerogen übertragen werden. Da schlechte Hygienebedingungen die Ansteckung begünstigen, sind heute vor allem ärmere Länder noch immer von der Erkrankung betroffen.

Solange das Virus ausgeschieden wird, können auch Ansteckungen erfolgen: In Rachensekreten ist es frühestens 36 Stunden nach einer Infektion nachweisbar und kann dort bis zu einer Woche persistieren. Die Virusausscheidung im Stuhl beginnt nach 2-3 Tagen und kann bis zu sechs Wochen anhalten. In Einzelfällen kann die Virusausscheidung Monate und Jahre dauern.

Impfkampagnen & Präventionsprogramme

Poliowildviren waren vor Einführung der Impfung weltweit verbreitet. Im Jahr 1998 wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der breite Einsatz der oralen Polio-Vakzine (OPV) durch die Globale-Polio-Eradikations-Initiative (GPEI) initiiert, der die Eradikation der Poliomyelitis bis zum Jahr 2000 zum Ziel hatte. Zwar wurde das Ziel erst verzögert erreicht, allerdings konnten durch Impfkampagnen bis heute 19 Millionen Menschen vor einer Lähmung und 1,5 Millionen Menschen vor dem Tod durch Polio bewahrt werden. Die Anzahl der Poliofälle weltweit konnte im Vergleich zu den 80er Jahren um 99,9 Prozent verringert werden.

Die letzte in Deutschland erworbene Erkrankung an Poliomyelitis durch ein Wildvirus wurde dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge 1990 erfasst. Die letzten beiden importierten Fälle aus Ägypten beziehungsweise Indien wurden 1992 registriert. Durch den Polio-Lebendimpfstoff kam es jedoch vereinzelt zu Vakzine-assoziierten paralytischen Poliomyelitis-Erkrankungen (VAPP), weshalb die Empfehlung der Lebendvakzine 1998 aufgehoben wurde.

Wie ist das aktuelle Impfschema?

Seitdem wird durch die Ständige Impfkommission (Stiko) stattdessen der Einsatz inaktivierter Polio-Vakzine (IPV) empfohlen. Die Grundimmunisierung soll im Alter von zwei Monaten erfolgen und umfasst die Verwendung von Kombinationsimpfstoffen. Insgesamt sind drei Impfstoffdosen im Alter von 2, 4, und 11 Monaten vorgesehen. Zwischen der letzten und vorletzten Impfstoffdosis im Rahmen der Grundimmunisierung sollte der Mindestabstand von sechs Monaten nicht unterschritten werden. Im Alter von 9-16 Jahren wird eine Auffrischimpfung mit einem IPV-haltigen Impfstoff empfohlen.

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