Notfallmedikamente

Allergologen: Rabattvertrag kann tödlich sein

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Berlin -

Acht Jahre nach Inkrafttreten der ersten Rabattverträge haben die Kassen die großen Wirkstoffe abgegrast. Zunehmend werden daher auch kleinere Substanzen ausgeschrieben. Wie das Expertenforum Anaphylaxie berichtet, könnten demnächst auch Adrenalin-Autinjektoren aufgerufen werden. Ein Skandal, finden die zwölf im Netzwerk zusammengeschlossenen prominenten Allergologen und Kinderärzte: Wer Notfallmedikamente ausschreibe, riskiere Menschenleben.

Bereits heute hätten allergische Erkrankungen das Ausmaß einer Volkskrankheit angenommen, schreiben die Ärzte in einer gemeinsamen Stellungnahme im Fachmagazin „Allergo Journal“. Mit der stetig steigenden Zahl an Allergikern wachse auch die Zahl der Fälle, in denen Patienten einen allergischen Schock (Anaphylaxie) erleiden. Dieser könne ohne die sofortige Selbstbehandlung mit einem Adrenalin-Autoinjektor (AAI) tödlich verlaufen, erinnern die Ärzte.

„Genau in diese Situation platzt die Absichtserklärung, Rabattverträge für AAI, die von verschiedenen Herstellern angeboten werden, zu verhandeln“, kritisiert Professor Dr. Ludger Klimek, Allergologe aus Wiesbaden und Sprecher des Expertenforums. Apotheker wären dann verpflichtet, Patienten den im Rabattvertrag ihrer jeweiligen Kasse festgelegten Injektor anstelle den vom Arzt verordneten auszuhändigen.

„Man muss es so drastisch ausdrücken: Hier wird der mögliche Tod von Patienten in Kauf genommen“, ergänzt Dr. Ernst Rietschel, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Uniklinik Köln. „Wir schulen unsere Patienten sehr sorgfältig auf das jeweilige verordnete Autoinjektor-Modell, damit sie es im Ernstfall sicher anwenden können. Das würde durch eine Regelung, bei der der vertraute Injektor durch ein anderes Modell ausgetauscht würde, ad absurdum geführt.“

Der Tausch hätte aus Sicht der Mediziner fatale Folgen: „Denn der in der Notfallsituation ohnehin schon verängstigte Patient beziehungsweise Angehörige wird zusätzlich verunsichert, sodass im äußersten Fall der AAI nicht korrekt oder gar nicht verwendet wird und ernste Gesundheitsschädigungen oder gar Todesfolge drohen“, so Rietschel weiter. „Das muss unter allen Umständen verhindert werden.“ Die Ärzte fordern den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) sowie die Krankenkassen auf, auf Ausschreibungen für AAI grundsätzlich zu verzichten.

Die meisten erhältlichen AAI – Anapen, Epipen, Emerade, Fastjekt, Jext – unterscheiden sich weder in ihrem Wirkstoff (Epinephrin/Adrenalin), in ihrer Dosierung (0,3 mg für Erwachsene und Jugendliche ab 30 kg Körpergewicht; 0,15 mg für Kinder ab 15 kg Körpergewicht) noch in ihrer Darreichungsform als Injektor oder in der Packungsgröße. Zudem sind alle AAI zur Notfallbehandlung einer akuten allergischen Reaktion zugelassen.

Damit sei auf den ersten Blick die Voraussetzungen zum Austausch auf der gesetzlichen Grundlage gegeben, erläutert Dr. Lars Lange vom St.-Marien-Hospital Bonn. „Die Crux ist jedoch, dass sich die AAI hinsichtlich ihrer Funktionsweise und der Nadellänge unterscheiden“. Dadurch sei eine produktspezifische Schulung bei der Verordnung erforderlich. „Man stelle sich nun vor, der Patient erhält anstelle seines vertrauten Injektors ein anderes Modell und aufgrund falscher Anwendung gelingt es ihm nicht, seine lebensgefährliche Situation in den Griff zu bekommen“, so Lange.

„Gerade in der Notfallsituation ist die exakte Handhabung der AAI besonders entscheidend“, so Lange weiter. AAI seien daher für einen Austausch in der Apotheke grundsätzlich nicht geeignet, sind sich alle Mitglieder des Expertenforums einig.

Laut Arzneiverordnungsreport wurden 2013 insgesamt 132.500 Mal Epinephrin-haltige Produkte verordnet. In der Regel bekommen Patienten, die bereits eine anaphylaktische Reaktion erlebt haben, ein entsprechendes Gerät auf Rezept.

Anaphylaxien sind potenziell lebensbedrohliche allergische Reaktionen. Die Ausprägungen können sehr vielgestaltig sein: Die Symptome reichen von leichten Hauterscheinungen über respiratorische, kardiovaskuläre oder gastrointestinale Beschwerden bis hin zu schwerem Schockgeschehen mit Herz-Kreislauf­versagen. Zur Behandlung der Anaphylaxie empfehlen sowohl nationale als auch internationale Leitlinien die sofortige intramuskuläre Verabreichung von Adrenalin.

Zuletzt hatte sich AstraZeneca dafür eingesetzt, alle Inhalativa zur Behandlung von Asthma und COPD auf die Substitutionsausschlussliste zu setzen. Unterstützung hatte der Konzern von der deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, dem Bundesverband der Pneumologen und dem Verband Pneumologischer Kliniken sowie der Deutschen Atemwegsliga erhalten.

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