Abmahnungen

Strafanzeige: Betrug und Erpressung

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Berlin -

Die „Abmahnwelle“ schwappt zurück: Rechtsanwalt Dr. Bernhard Bellinger will am heutigen Montag Strafanzeige gegen seinen Kollegen Christoph Becker stellen, der im Namen der Brücken-Apotheke zahlreiche Apotheken wegen vermeintlicher Verstöße abgemahnt hatte. Laut Bellinger waren die Abmahnungen nicht nur rechtsmissbräuchlich. Einem von ihm beauftragten Gutachten zufolge hat sich der Anwalt sogar des versuchten Betruges und der versuchten Erpressung schuldig gemacht.

Bellinger vertritt selbst rund zwei Dutzend abgemahnte Apotheker. Er hat von seinem Kollegen Alexander Beyer ein Rechtsgutachten erstellen lassen, wie die abgemahnten Apotheker gegen ihren Kollegen Hartmut Rudolf Wagner und seinen Anwalt vorgehen können. Beyer hat früher in Bellingers Kanzlei gearbeitet und ist jetzt bei der Kanzlei Nienhaus tätig.

Dem Gutachten zufolge waren die Abmahnungen klar rechtsmissbräuchlich: Der Anwalt und der Apotheker hätten überwiegend sachfremde Ziele damit verfolgt – nämlich Gebühren einzutreiben. So bestehe etwa ein eklatantes Missverhältnis zwischen der Abmahntätigkeit des Apothekers und dessen eigentlicher Geschäftstätigkeit. Bestimmte Formulierungen und Forderungen in der Abmahnung seien weitere Indizien für einen Rechtsmissbrauch – beispielsweise der viel zu hohe Gegenstandswert oder die Androhung berufsrechtlicher Konsequenzen.

Dem Gutachten zufolge können die Apotheker Schadenersatz von Becker verlangen. Denn sie müssten einen Anwalt zur Verteidigung einschalten und erlitten so eine „unfreiwillige Vermögenseinbuße“.

Das Vorgehen des Rechtsanwalts sei zudem als „sittenwidriges Verhalten“ einzustufen. Die rechtsmissbräuchliche Abmahnung habe nur die Schädigung Dritter zum Ziel und diene der eigenen Bereicherung, heißt es. So habe der Anwalt Apotheken abgemahnt, obwohl er wissen musste, dass überhaupt kein Wettbewerbsverhältnis bestehe.

Weil der Apotheker und sein Anwalt zudem nicht bestehende Schadenersatzansprüche gestellt hätten und einzelne Verstöße zum Teil gar nicht begründet gewesen seien, sei das Vorgehen auch strafrechtlich relevant, heißt es im Gutachten. Aufgrund der Vielzahl der Abmahnungen sei daher von einem Betrug in besonders schwerem Fall auszugehen.

Beyer sieht in der Drohung gegenüber den Apotheken sogar den Tatbestand der versuchten Erpressung als erfüllt an: Apotheken seien offenbar teilweise „ins Blaue hinein“ abgemahnt worden. Gleichzeitig wurde mit einer Anzeige bei der Kammer gedroht. Es komme jetzt darauf an, ob die behaupteten Forderungen tatsächlich rechtlich geprüft worden seien, heißt es im Gutachten. Wegen der Vielzahl der Fälle sei auch hier von gewerbsmäßigem Handeln auszugehen, womit ein besonders schwerer Fall der versuchten Erpressung vorläge.

Bellinger kann nach all dem nicht verstehen, warum sich Abgemahnte mit Becker an einen Tisch setzen sollten. Der Anwalt des Apothekers hatte am Wochenende in einem Schreiben erklärt, jetzt Vergleichsverhandlungen mit Apothekerverbänden führen zu wollen. Alle Fristen im Zusammenhang mit den Abmahnungen würden ausgesetzt.

Bei dieser Rechtslage gebe es überhaupt nichts zu verhandeln, kontert Bellinger. „Das Verhalten des Rechtsanwalts Becker ist indiskutabel und damit für mich in dem von ihm angezettelten Krieg gegen die Apotheker zur Vorweihnachtszeit alles andere als seine bedingungslose Kapitulation – Rücknahme der Abmahnung und Erstattung der Anwaltskosten der Abgemahnten – nicht akzeptabel.“

Bellinger besteht zudem darauf, seine Mandanten selbst zu vertreten und lehnt eine Vertretung durch Apothekerverbände ab. „Wir wundern uns auch, dass insoweit anscheinend 'Vergleichsgespräche' anberaumt wurden.“

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