Teures Medikament verordnet

20.000-Euro-Regress: Arzt schwärzt Apotheke an

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Berlin -

Was Apotheken die Retaxation ist, ist bei Ärzten der Regress: Verordnet eine Praxis unwirtschaftlich, kann die Abrechnung gekürzt werden. Dann geht es schnell um fünfstellige Beträge – entsprechend greifen die betroffenen Mediziner nach jedem Strohhalm. In einem aktuellen Fall klagte ein Hausarzt aus Niedersachsen gegen einen Regress über 20.000 Euro – und versuchte den Schwarzen Peter der Apotheke zuzuschieben.

Der Allgemeinmediziner hatte einem seiner Stammpatienten im ersten Quartal 2017 insgesamt viermal Ibrance (Palbociclib) verschrieben. Der Versicherte habe sich mit der Behauptung vorgestellt, er habe männlichen Brustkrebs und würde einen entsprechenden Arztbericht nachreichen. Dies sei jedoch nie geschehen.

Die Kasse monierte bei der Abrechnungsprüfung, dass es laut ihren Unterlagen in der Krankheitsgeschichte des Versicherten keine entsprechende Krebsdiagnose gebe. Ohnehin wäre die Verordnung erfahrenen Gynäkologen, Onkologen und Fachkliniken vorbehalten und an eine Blutbildkontrolle geknüpft. Ihm sei daher vorzuwerfen, dass er Verordnungen ausgestellt habe, ohne sich zuvor vom Krankheitszustand überzeugt zu haben. Die Kasse beantragte daher beim Prüfungsausschuss die Festsetzung eines Regresses in Höhe von 20.470,08 Euro.

Im Stellungnahmeverfahren gab der Arzt zu Protokoll, dass der Versicherte seit Mai 2014 als Patient mit diversen chronischen Leiden bei ihm in Behandlung sei und dass ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehe. In der Vergangenheit habe es keinen Anlass gegeben, an seiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln.

Onkologe angeblich im Urlaub

Im Zusammenhang mit den Ibrance-Rezepten habe der Patient behauptet, die Diagnose Brustkrebs sei durch einen Onkologen gestellt worden, der aber wegen eines Urlaubs um die Verordnung durch den Hausarzt gebeten habe. Er selbst habe den Patienten auch untersucht und beim Abtasten der Brust eine deutliche Verhärtung bemerkt. Eine Blutentnahme habe der Mann verweigert.

Auch die weiteren Verordnungen seien aber nach vorheriger körperlicher Untersuchung erfolgt. Auch habe er dem Patienten empfohlen, nach den jeweiligen Behandlungszyklen ein großes Blutbild anfertigen zu lassen. Die Intervalle und Behandlungspausen seien im Übrigen beachtet worden. Auch habe er die ihm als Hausarzt zur Verfügung stehenden diagnostischen Maßnahmen genutzt.

Pflichtverletzung der Apotheke

Vor allem aber fehle es an der Kausalität, so der Anwalt des Arztes: Entscheidend sei eine Pflichtverletzung der abgebenden Apotheke. Dort hätte man nämlich Bedenken haben müssen, dass ein onkologisches Spezialmittel von einem Hausarzt verordnet wurde, es sich um die Behandlung von Brustkrebs bei einem Mann handelt und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einen Zusatznutzen verneint. Nach § 17 Abs. 5 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) hätte die Abgabe damit verweigert und Rücksprache mit dem Arzt genommen werden müssen.

Das überzeugte die Prüfer nicht, der Bescheid wurde wie beantragt festgesetzt. Denn selbst wenn die Apotheke nachgefragt hätte, hätte man in der Praxis doch nur die Auskunft gegeben, dass die Verordnung korrekt für den Patienten ausgestellt worden sei.

Und auch das Sozialgericht Hannover wies die Klage zurück: Es stehe zweifelsfrei fest, dass der Hausarzt eine offensichtlich fern liegende Diagnose gestellt hatte. Das Abtasten der Brust stelle keine belastbare Grundlage dar – und angesichts des im Raum stehenden Erkrankungsbildes hätte er sich auch nicht blind auf Angaben des Versicherten verlassen dürfen. Aufgrund der nicht sachgerechten Therapie sei der Kasse ein Schaden entstanden.

Arzt haftet für Verordnung

Auf ein mögliches Fehlverhalten der Apotheke oder eine möglicherweise bestehende Betrugsabsicht des Versicherten könne sich der Arzt berufen, da sonst das „vertragsarztrechtliche Ordnungssystem relativiert“ würde. „Der eingetretene Schaden beruht zudem auch wesentlich auf dem Verhalten des Klägers. Ein Verschulden ist im Rahmen von Verordnungsregresses nicht zu prüfen.“

Nichts anderes gelte auch für den Verweis auf eine mögliche Retaxation der Apotheke. Der Arzt hatte argumentiert, dass die Kasse sich den Schaden nicht zweimal erstatten lassen könne. Laut deren Auskunft hat es aber keine Kürzung bei der Apotheke gegeben. „Das Gericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunft, zumal der Kläger für seine gegenteilige Behauptung keinerlei Nachweise vorgelegt hat.“

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