Testkauf-Streit

Gericht maßregelt EAV

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Berlin -

Die Europa Apotheek Venlo (EAV) musste im Verfahren um die von ihr durchgeführten Testkäufe vor dem Oberlandesgericht Bamberg (OLG) eine Schlappe hinnehmen: Das Eilverfahren wurde ohne Verurteilung des getesteten Apothekers beendet, weil die Anwälte der Versandapotheke das Verfahren in die Länge gezogen haben sollen. In den jetzt vorliegenden Urteilsgründen der Entscheidung vom 4. Dezember führen die Richter aus, warum sie an dem Vorgehen der EAV Zweifel hatten.

Nach den Testkäufen im Herbst 2012 hatte die Versandapotheke am 1. November einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gestellt. Das Landgericht Bayreuth wollte die Sache eigentlich am 19. Dezember verhandeln – gemeinsam mit zwei weiteren Verfahren. Der Termin musste verschoben werden, weil die Anwälte der EAV zwei Tage vor der Verhandlung noch einen weiteren Schriftsatz von 36 Seiten eingereicht hatten.

Ein neuer Termin wurde auf den 28. Februar festgelegt. Am Vortag der Verhandlung schickte die EAV wiederum einen neuen Schriftsatz ans Gericht und legte weitere Beweismittel vor. In der Verhandlung wurden neue Hilfsanträge gestellt.

Aus Sicht des OLG Bamberg war die Dringlichkeit eigentlich schon zu diesem Zeitpunkt dahin. Denn der beklagte Apotheker hätte angesichts der neuen Dokumente eine Vertagung beantragen können. Die EAV habe diese Verzögerung billigend in Kauf genommen. Doch vor dem Landgericht wurde verhandelt – der Verkündungstermin allerdings erst auf den 6. Juni festgelegt.

Hintergrund der langen Frist war laut Urteilsbegründung des OLG, dass noch Vergleichsgespräche zwischen der EAV und dem Apotheker sowie dem Bayerischen Apothekerverband (BAV) geführt wurden. Dies sei zwar zu begrüßen, so die Richter am OLG, zeige aber auch, dass es der Versandapotheke so eilig nicht gewesen sein könne.

Gleiches Spiel im Berufungsverfahren: Anfang November, fünf Tage vor der Verhandlung, reichte die EAV einen weiteren 32 Seiten starken Schriftsatz ein. Die Richter bemängelten, dass dem Apotheker die Schriftsätze nicht wie sonst üblich zugestellt worden seien: „Dieses Verhalten, das sich über das gesamte Verfahren durchzieht, hat beim Senat überdies den Eindruck hinterlassen, dass seitens der Parteivertreter der Verfügungsklägerin [der EAV] systematisch versucht wurde, dem Gegner im Termin die Möglichkeit einer sinnvollen Vorbereitung und Erwiderung abzuschneiden“, heißt es in der Begründung.

Die Richter hatten offenbar schon im Verfahren erkennen lassen, dass ihnen die Sache für ein Eilverfahren zu lange dauere. Doch aus Sicht der EAV bestand tatsächlich kein Grund zur Eile, da die einstweilige Verfügung zu diesem Zeitpunkt Bestand hatte. Dieses Argument ließ das OLG nicht gelten: Die Dringlichkeit sei eine besondere Voraussetzung des gesamten Verfügungsverfahrens.

Die Verurteilung aus der ersten Instanz wurde aufgehoben, der Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Die EAV könnte jetzt noch eine sogenannte Gehörsrüge stellen, als letztes Mittel bliebe eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. Ansonsten müsste sie den Fall jetzt in einem langwierigen Hauptsacheverfahren fortführen. Ob dies geplant ist, war bislang nicht zu erfahren.

Die Verfahren um sie rund zwei Dutzend Testkäufe beschäftigen mehrere Gerichte in Bayern: Das OLG München hatte der EAV in verschiedenen Verfahren ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen vorgehalten und die Anträge abgewiesen. Hintergrund war, dass die Testkäufe hauptsächlich in Apotheken von Funktionären von Kammer und Verband durchgeführt wurden. Dies sah das OLG München als Revanche für das Vorgehen des BAV gegen die Boni der Versandapotheke an.

In anderen Fällen wurden die betroffenen Apotheker vom OLG Nürnberg für die Abgabe der Pille ohne Vorlage eines Rezeptes verurteilt, in den anderen Punkten in zweiter Instanz aber freigesprochen. Denkbar ist daher auch, dass beide Seiten die Sache nach den Eilverfahren auf sich beruhen lassen.

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