Interview UPS

Großhändler müssen sich anstrengen

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Logistiker drängen in den Gesundheitsmarkt. Nach DHL und der Bertelsmann-Tochter Arvato bringt sich nun auch der Logistikdienstleister UPS bei Pharmaherstellern und Biotechunternehmen in Stellung: Soeben eröffnete im niederländischen Roermond, direkt an der deutschen Grenze, ein Logistikzentrum speziell für Medikamente und Medizinprodukte. APOTHEKE ADHOC sprach mit dem Leiter der Healthcare-Sparte von UPS, Bill Hook, über die Positionen und Perspektiven im Arzneimittelvertrieb.

ADHOC: Herr Hook, Ihr Konzern hat im vergangenen Jahr 3,9 Milliarden Pakete ausgeliefert und 51,5 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Welche Rolle spielt dabei der Gesundheitsmarkt?
HOOK: Wir liefern bereits seit Jahrzehnten Gesundheitsprodukte aus. Wir haben uns aber im Jahr 2000 entschlossen, strategische Schwerpunkte auf einige wenige Märkte zu setzen, unter anderem auf den Bereich Gesundheit. Die Umsetzung ist jetzt abgeschlossen; wir bieten ein breites Spektrum an Dienstleistungen an.

ADHOC: Ist der Markt nicht längst verteilt?
HOOK: Der Markt war nie mehr in Bewegung. Wir erleben eine nicht endende Diskussion darüber, welches der richtige Vertriebsweg für Gesundheitsprodukte, zum Beispiel Arzneimittel, ist - und zwar sowohl in Europa als auch in den USA.

ADHOC: Wer ist denn unzufrieden mit dem derzeitigen System?
HOOK: Viele Hersteller hinterfragen tatsächlich den Wert des Großhandels, gerade in Zeiten, in denen für sie selbst die Auflagen immer strenger werden. Denken Sie nur an die Themen Kühlware, Fälschungssicherheit und Nachverfolgbarkeit. Ich würde von einem Jahrzehnt des Umdenkens sprechen, insbesondere in Großbritannien und Europa. Jedes Unternehmen hat seine eigenen Vorstellungen, wie seine Produkte vertrieben werden sollen.

ADHOC: Welche Rolle spielt der Parallelhandel?
HOOK: Das ist eher in Europa ein Thema; in Nordamerika ist das nicht der springende Punkt. Es geht um Kosten, den Zugang zu den Kunden und natürlich Lieferdaten.

ADHOC: Was unterscheidet denn Großhandel und Auftragslogistik?
HOOK: Wir sind nie der Besitzer des Produkts, das bleibt immer der Hersteller. Wir bieten Dienstleistungen an. In den USA übernehmen wir zum Beispiel bereits heute die Zwischenlagerung und liefern die Produkte an Großhandel, Apotheken oder direkt an den Endverbraucher.

ADHOC: Sie liefern im Auftrag der Hersteller an Patienten?
HOOK: Nein, zu unseren Kunden gehören auch die anderen Parteien, also Großhändler und Pharmacy Benefit Manager. Ein Unternehmen hat zum Beispiel bei uns seine Zentralapotheke, mit vollem Sortiment und eigenem Apotheker. Wir vermieten die Infrastruktur und übernehmen die Auslieferung.

ADHOC: Aber was ist denn dann der Vorteil?
HOOK: Die Unternehmen können den kompletten Logistikbereich auslagern. Erst Anfang des Jahres haben wir zwei Vertriebszentren des Pharmakonzerns Merck übernommen, inklusive Mitarbeiter. Jetzt haben wir in Nordamerika 23 Niederlassungen, die auf den Gesundheitsbereich spezialisiert und entsprechend zertifiziert sind. Merck hatte nur Merck-Produkte, wir können die Zentren für Merck und alle anderen Kunden nutzen. Wir sind flexibler.

ADHOC: Auch für die Apotheken?
HOOK: Natürlich ist das bestehende System eine Herausforderung. Heute können die Apotheken jedes Produkt beim Großhandel bestellen, und zwar mit einer Bestellung, einer Lieferung und einer Rechnung. Es geht auch für uns darum, das Leben für den Apotheker so einfach wie möglich zu machen. Aber die Hersteller schauen auf die Gesamtkosten.

ADHOC: Und wie wird gespart?
HOOK: Es ist einfach sehr teuer, alle Produkte in allen Niederlassungen vorrätig zu halten. Wir lagern in den USA ein Produkt in ein bis zwei Niederlassungen. Ich sage nicht, dass das in Europa auch funktioniert, aber mit einem Netzwerk kann man sicher eine Menge bewerkstelligen.

ADHOC: Was sind Ihre Pläne für Europa?
HOOK: Wir haben in Roermond soeben unser erstes Logistikzentrum speziell für Arzneimittel außerhalb der USA und Puerto Rico eröffnet und planen bereits eine zweite Niederlassung in Osteuropa. In direkter Nähe zum Kölner Flughafen haben wir jetzt 20.000 Quadratmeter Lagerfläche mit kontrollierter Temperatur und Luftfeuchte. Wir sind GMP-zertifiziert, bieten die Produktverfolgung, Rückrufservice, Chargenkontrolle, Quarantäne, Auftragsannahme und vieles mehr. Wir sind bereit, Apotheken, Kliniken, Einzelhändler, Gesundheitseinrichtungen und Patienten zu beliefern.

ADHOC: Wird die Logistik den Großhandel ablösen?
HOOK: Ich denke, dass der Großhandel der primäre Vertriebskanal für Arzneimittel bleiben wird. Aber auch da gibt es gewaltige Veränderungen, denken Sie an das Thema Apothekenketten. Es wird künftig mehrere Vertriebssysteme nebeneinander geben. Wenn sich die Großhändler nicht anstrengen, könnten UPS-Zusteller schon bald öfter bei den Apotheken klingeln.

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