Vertragsverletzungsverfahren

Bundesregierung verteidigt Clopidogrel-Generika

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Im EU-Patentstreit um Clopidogrel stellt sich die Bundesregierung auf die Seite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und der Generikaanbieter Yes, Ratiopharm und Hexal. In ihrer Antwort auf das Mahnschreiben aus Brüssel stellen Gesundheits- und Wirtschaftsministerium Grundsatzfragen zum Umgang mit geschützten Wirkstoffen und geschützten Daten: Der Clopidogrel-Streit werfe „neue und schwierige Rechtsfragen auf, die bisher nicht Gegenstand gemeinschaftsrechtlicher oder nationaler Gerichtsverfahren waren“.

In ihrem Ende Juni eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren moniert die Kommission, dass das BfArM für die Zulassung Ende Mai Daten anerkannt hatte, die eigentlich bis zum 15. Juli 2008 geschützt waren.

Das sieht die Bundesregierung nicht so: Der Antragsteller habe nicht die geschützten Daten selbst, sondern eine Zusammenfassung der US-Zulassungsbehörde FDA vorgelegt. Dieses Gutachten ist laut Bundesregierung als „als ein eigenständiges Dokument zu betrachten, das zwar auf Daten aus einem anderen Zulassungsverfahren gestützt ist, mit den eingereichten Zulassungsunterlagen jedoch nicht identisch ist“. Das FDA-Gutachten sei ein öffentliches Dokument, zu dessen Erstellung und Veröffentlichung die Behörde durch US-Gesetz legitimiert sei.

Laut Bundesregierung steht nirgends im Gemeinschaftsrecht, „dass auch die durch eine öffentliche Stelle erst erzeugte öffentliche Information als Unterlagen des Vorantragstellers zu behandeln ist“. Die eigentlich Frage sei also, ob im Zulassungsverfahren die Information einer Behörde wie der FDA nicht vorgelegt beziehungsweise von der Zulassungsbehörde nicht berücksichtigt werden dürfe - ob es sich also mit anderen Worten bei dem Gutachten um ein unzulässiges Beweismittel handele.

Anders als in Brüssel ist man in Berlin der Meinung, dass von einer Umgehung der Urheber- oder Unterlagenschutzrechte keine Rede sein kann: „Wenn zulässigerweise Informationen durch eine öffentliche Stelle erstellt und publik gemacht werden und eine Beschränkung der Verwendung dieser dann öffentlichen Information nicht erfolgt, kann es dem Empfänger dieser Information auch nicht verwehrt sein, diese Information zu verwerten“, heißt es im Antwortschreiben.

Der Unterlagenschutz hätte laut Bundesregierung also bereits bei der Erstellung und Veröffentlichung des FDA-Gutachtens geklärt werden müssen und nicht erst im Rahmen des Zulassungsverfahrens beim BfArM: „Die Behörde darf und muss sich grundsätzlich darauf verlassen dürfen, dass eine nicht angefochtene Entscheidung einer anderen Behörde rechtmäßig ist und Rechte Dritter nicht verletzt.“ Schließlich gebe es auch keine Befugnis, die vorgelegten Dokumente zu verwerfen und damit nicht der Zulassungsentscheidung zu Grunde zu legen.

In Berlin will man keine Einzelfallentscheidungen: Umfangreiche Rechtsprüfungen, ob die unbeschränkte Herausgabe behördlicher Gutachten die Rechte der Zulassungsinhaber verletzen, erschwerten und verzögerten nämlich die Zulassungsverfahren zusätzlich, heißt es im Antwortschreiben. Die Bundesregierung weist die Kommission darauf hin, dass sie sich in ihrer Sektoruntersuchung selbst explizit für kürzere Zulassungsverfahren für Generika stark gemacht habe.

Im zweiten Streitpunkt - der Frage, ob die klinischen Studien zur Berechnung der allgemeinen medizinischen Verwendung angerechnet werden dürfen - vertritt die Bundesregierung eine eindeutige Position: Zwar dürfe nicht grundsätzlich jede veröffentlichte klinische Studie als Nachweis genügen. Auf der anderen Seite könne aber nicht kategorisch ausgeschlossen werden, dass umfangreiche Studien den Zeitpunkt der allgemeinen medizinischen Verwendung dokumentieren können, zumal dies den Zulassungsvorschriften zufolge möglich sei. Dies sei im Einzelfall zu prüfen - hier unter anderem anhand der Caprie-Studie mit mehr als 19.000 Teilnehmern.

Wie auch immer der Streit um Clopidogrel ausgeht; für die beiden Originalhersteller Sanofi Aventis und Bristol Myers Squibb hat sich die Intervention aus Brüssel möglicherweise schon gelohnt: Die AOK verzichtete Ende August bei ihrer neuen Ausschreibung auf den Wirkstoff - aufgrund andauernder Patentstreitigkeiten.

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