Interview

Wie ein Elefant im Porzellanladen

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Der Gesundheitsökonom Lars Reje empfiehlt der schwedischen Regierung, den Apothekenmarkt für internationale Kettenkonzerne zu öffnen. APOTHEKE ADHOC sprach mit dem ehemaligen Krankenhausdirektor über die Hintergründe seines Gutachtens.

ADHOC: Herr Reje, Sie haben am Dienstag ihren mit Spannung erwarteten Report der schwedischen Regierung übergeben. Wie sind die Reaktionen?
Reje: Um ehrlich zu sein: Ich fühle mich wie ein Elefant, der im Porzellanladen tanzen muss. Es gibt Kritik von allen Seiten.

ADHOC: Was wollen Sie denn mit Ihren Vorschlägen bewirken?
Reje: Die Maßnahmen sollen den Zugang der Bevölkerung zu Medikamenten erleichtern, den Druck auf die Arzneimittelpreise erhöhen und die Qualität der Versorgung verbessern.

ADHOC: Lässt denn die Qualität der Versorgung in Schwedens Apotheken zu wünschen übrig?
Reje: Es gibt immer Möglichkeiten zur Verbesserung. Nehmen Sie nur die derzeitige Regelung bei den Generikapreisen: Monatlich müssen sich die Patienten an neue Produkte gewöhnen. Da herrscht in Norwegen mehr Stabilität.

ADHOC: Auf welchen Erkenntnissen beruhen Ihre Vorschläge?
Reje: Wir haben uns unter anderem die Apothekensysteme in Norwegen, Großbritannien und Kanada angesehen und all das, was uns lohnenswert erschien, adaptiert. Natürlich gibt es aber auch in Schweden Dinge, die es zu erhalten gilt.

ADHOC: Anders als andere Gutachter empfehlen Sie der Regierung, großen vertikalisierten Konzernen den Einstieg zu ermöglichen. Warum?
Reje: Das ist die Logik des Marktes, der große Ketten begünstigt. Wir wollen aber keine Dominanz bestimmter Anbieter, sondern einen gesunden Mix. Mein Wunsch wäre, dass es auch unabhängige Apotheken gibt, denn diese sind erfahrungsgemäß kreativer und innovativer.

ADHOC: Halten Sie das für realistisch? Schweden hat schließlich nur einen kleinen Markt, der relativ schnell aufgekauft werden könnte. Den schwedischen Apothekern fehlt zudem seit fast vierzig Jahren jegliche Erfahrung der Selbstständigkeit. Begünstigt das nicht die Ketten?
Reje: Das könnte ein Problem sein. Aber es gibt auch Apotheker, die nicht beim Staatsbetrieb Apoteket AB arbeiten wollten und zum Beispiel nach Norwegen gegangen sind. Diese werden zurückkehren.

ADHOC: Apropos Norwegen: In den vergangenen Monaten gab es eine intensive öffentliche Diskussion um die Entwicklung dort, die bis zu Betrugsvorwürfen gegen die Konzerne reichte. Teilen Sie die Befürchtungen nicht?
Reje: Man muss da sehr genau hinschauen. Ich stimme nicht überall mit den Kritikern überein. Es gibt auch Untersuchungen, die ein anderes Bild zeichnen. Was die Betrugsvorwürfe angeht, muss man bedenken, dass die Vorgänge sehr früh nach der Liberalisierung geschehen sein sollen. Danach hat die Regierung sofort reagiert und das Preismodell umgestellt. Außerdem gibt es derzeit noch keinen Prozess.

ADHOC: Wie wollen Sie denn in Schweden Missbrauch von Marktmacht verhindern?
Reje: Wir setzen auf Transparenz. Wir haben hier eine entsprechende Kultur, die es weiter zu entwickeln gilt. Da sind natürlich die Wettbewerbsbehörden gefragt. Denkbar wäre aber auch, dass der Staat eine Minderheitsbeteiligung an Apoteket AB behält und so weiterhin Einblick in den Markt hat.

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