Österreich

Der Hangover-Apotheker

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Berlin -

Kann ein Apotheker einen Alkomaten der Polizei manipulieren? Michael Pichler wollte es wissen. Gemeinsam mit Freunden testete der Österreicher drei Partynächte lang diverse Präparate wie Kohletabletten und Hausmittel – auch um am nächsten Tag wieder fit in der Offizin zu sein. Nach der Einnahme von Gletschergestein fühlten sich die Partylöwen besser. Bevor der Pharmazeut jedoch das Nahrungsergänzungsmittel „No Hangover“ in die Apotheken bringen konnte, musste er erst nach Thailand reisen.

Pichler ist Inhaber der Apotheke vorm Lindwurm in Klagenfurt. Der 51-Jährige ist seit jeher ein Tüftler. Bereits vor 20 Jahren begann er, sich auf natürliche Produkte zu fokussieren. Entstanden sind Hausspezialitäten wie Tee, eigene Mikronährstoffe sowie eine Kosmetik- und Homöopathika-Serie mit eigenen Marken. „Wir verwenden möglichst Naturrohstoffe und keine Chemie, mit dem Kriterium, dass es wirkt“, sagt Pichler.

Kritik von Kollegen oder Homöopathie-Gegnern trifft den Österreicher nicht. „Ich bin ein Anti-Apotheker“, sagt er. Andere Pharmazeuten mieden ihn und er sie. „Ich gehe meinen eigenen Weg.“ Dieser führte ihn nach Südostasien. Pichler wollte nach seinem Selbsttest mit Gletschergestein ein Nahrungsergänzungsmittel gegen Katerbeschwerden auf den Markt bringen. Die Wahl fiel wegen des basischen Effekts auf St. Gotthard-Gestein, das von einer schweizerischen Familie abgebaut wird, die aber in Thailand lebt.

Der Apotheker kontaktierte die Familie und schilderte sein Projekt. Sie luden ihn ein und er flog nach Thailand. Dort demonstrierte er die Wirkung sowie sein Vorhaben und sicherte sich den Rohstoff. „Sie sagten, viele hätten bereits angefragt, aber keiner sei vorbeigekommen“, so Pichler. Ein Vorteil des Gletschers des Gotthardmassivs sei, dass das vier Milliarden Jahre alte Urgestein aus einem Bergwerkstollen stamme, der von der Umwelt abgeschlossen und geschützt sei.

Mit einem selbstentwickelten und patentierten Luftdruckverfahren ohne Einsatz von Metall stellt Pichler ein möglichst feines Pulver her. „Je größer die Oberfläche des Gesteins ist, desto mehr Möglichkeiten gibt es für Schadstoffe, sich anzulagern.“ Das Nahrungsergänzungsmittel besteht ausschließlich aus Gletschergestein und enthält rund 80 Mineralstoffe. „Gelangt es in den Darm, optimiert es die Funktionstüchtigkeit der Darmbakterien.“

„No Hangover“ ist seit knapp einem Jahr auf dem Markt. In Deutschland wird es von Hager Pharma vertrieben. Rund 500 Apotheken haben es im Sortiment. Auch Firmen aus der gehobenen Gastronomie- und Barszene will der Pharmazeut als Vertriebspartner gewinnen. Das Produktdesign und der Internetauftritt samt Shop gehen auf den Apotheker und sein fünfköpfiges Team mit Grafik-, Kommunikations- und Vertriebsexperten zurück. Ein Sachet soll vor und nach dem Essen sowie Trinken eingenommen werden. Das Pulver soll gegen Sodbrennen, flaues Magengefühl sowie Unwohlsein und Übelkeit helfen.

Als Partytier würde sich der Apotheker selbst nicht beschreiben. „Ich bin nicht einmal gesellig, sitze aber gerne mit netten Menschen zusammen.“ Den Alkoholtester konnte Pichler laut eigenen Angaben mit Gletschergestein austricksen und die Promillezahl bis um die Hälfte senken. „Mein Herz schlägt für den Rohstoff.“ Sein neuestes Produkt ist die „Gletschermilch“, die denselben Rohstoff enthält, aber nicht extra angemischt werden muss. „Durch deren regelmäßige Einnahme werden der Darm und damit unser Organismus gesundet.“

Mineral- oder Heilerde wird seit jeher zur Gesundheitsförderung angewendet. Ein prominenter Vertreter in Apotheken ist etwa das Unternehmen Luvos Heilerde, das in diesem Jahr 100. Jubiläum feiert. Gründer Adolf Just gilt laut Firmenangaben alsWiederentdecker der Heilerde. Mehl aus Gletschergestein ist auch in Kosmetik enthalten. Mineralien wie Zink, Silizium, Schwefel und Strontium sollen die Haut elastisch machen. Weitere Produkte gegen die schlechte körperliche Verfassung nach übermäßigem Alkoholgenuss sind Kater-Schreck (Nu3), Katerfly (Philpharma) und Reboot, vormals Katerkiller (Stefan Rack). Auch Elektrolytlösungen sollen helfen.

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