Immunsystem der Atemwege

Covid-Infektion: Warum zeigen Kinder mildere Verläufe?

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Berlin -

Bei Kindern und Jugendlichen wurden seltener schwere Verläufe bei einer Corona-Infektion festgestellt als bei Erwachsenen. So wies das Robert Koch-Institut (RKI) für 2020 für Deutschland einen Anteil von 0,8 Prozent der Patienten unter 5 und 2,4 Prozent zwischen 5 und 14 Jahren mit schwerem Verlauf aus. Wissenschaftler:innen am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) konnten anhand einer Studie nun darlegen, dass das Immunsystem der oberen Atemwegen bei Kindern bereits vor der Infektion im Vergleich zu Erwachsenen wesentlich aktiver ist.

Schwere Verläufe bei Corona-Infizierten häufen sich vor allem bei älteren Menschen. Immer wieder wurde während der Pandemie bestätigt, dass Kinder sowie Jugendliche ohne Vorerkrankungen ein niedriges Risiko haben, hospitalisiert zu werden. Laut Schätzungen starben demnach weniger als 0,001 Prozent der infizierten Schulkinder an der Infektion. Aber: Mit zunehmendem Alter konnte eine fast exponentiell ansteigende Sterblichkeitsrate beobachtet werden.

Zudem schlägt sich der Zusammenhang mit dem Alter auch in der Symptomatik wieder: Kinder und Jugendliche litten unter weniger Symptomen und konnten schneller genesen im Vergleich zu Erwachsenen. Dies warf bei Wissenschaftler:innen die Frage auf: Womit hängt der mildere Verlauf bei Kindern und Jugendlichen zusammen, obwohl sich die anfängliche Viruslast nicht wesentlich zu der bei Erwachsenen unterscheidet?

Kindliche Nasenschleimhaut aktiver

Schon im Dezember fanden Forschende vom Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité in Kooperation mit dem DKFZ heraus, dass kindliche Epithelzellen der Nasenschleimhaut permanent in erhöhter Alarmbereitschaft sind. Die Nasenschleimhaut der Kinder ist so viel besser auf die Abwehr von Sars-CoV-2 vorbereitet. Um die Frage zu klären, warum dies so ist, untersuchte ein Team um Marco Binder am DKFZ gemeinsam mit den Berliner Kollegen die zelluläre Zusammensetzung der Schleimhaut in der Nasenhöhle gesunder Kinder.

Das Fazit: Die Nasenschleimhaut der Kinder einerseits von deutlich mehr Immunzellen besiedelt. Ebenso produzieren die einzelnen Immunzellen auch bei nicht-infizierten Kindern mehr entzündungsfördernde Botenstoffe. Dadurch wird die Produktion der Sensorproteine angeregt. „Wir konnten zeigen, dass die Anwesenheit niedriger Dosen dieser Zytokine die Epithelzellen der Atemwege in erhöhter Alarmbereitschaft hält. Die Schleimhautzellen wappnen sich dann, indem sie die Produktion der Virus-Sensorproteine hochfahren und können so weitaus schneller auf die Infektion mit Sars-CoV-2 reagieren“, so Binder.

Angeborener Schutzmechanismus

Von den Forschenden wird vermutet, dass Kinder einen angeborenen starken Schutzmechanismus gegen Atemwegsinfekte haben und dieser wahrscheinlich auch andere Viren abwehren kann. „Während der Pandemie war dieser Unterscheid aber besonders deutlich, da das Immunsystem aller Menschen zum allerersten Mal mit diesem Coronavirus in Kontakt kam“, so Binder. „Bei anderen Infektionen wie Schnupfen oder Grippe haben Erwachsene durch wiederholten Kontakt mit den Viren schon ein Immungedächtnis aufgebaut, dass bei der Abwehr der Erreger hilft. Dadurch kommt die Wirksamkeit der besseren Virusabwehr der Kinder nicht mehr so deutlich zum Tragen“.

In weiteren Forschungsprojekten will Binder einer weiteren Besonderheit auf den Grund gehen: „Sars-CoV-2 vermehrt sich ausgesprochen schnell in unseren Zellen und hat zudem viele Tricks auf Lager, um die Sensoren des zellulären Virus-Alarmsystems auszuschalten. Daher ist der kindliche Schutzmechanismus bei diesem Erreger besonders wichtig. Bei anderen Atemwegsinfekten fällt der Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen möglicherweise nicht so dramatisch aus.“

Der Forscher sieht in den Ergebnissen weitere Therapieansätze: „Solche Ansätze könnten darauf abzielen, die zelluläre Zusammensetzung des Schleimhautgewebes von Kindern nachzuahmen, beispielsweise durch Inhalation von niedrig dosierten Zytokinpräparaten.“

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