BMG sieht keinen Mehraufwand

BMG: Temperaturkontrolle ultralight

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Berlin -

Ob Sommer oder Winter: Im Versandhandel werden Arzneimittel teilweise extremen Temperaturen ausgesetzt. Seit Jahren fordern Expertinnen und Experten eine schärfere Regulierung, doch was das Bundesgesundheitsministerium (BMG) jetzt daraus gemacht hat, ist allenfalls eine „Temperaturkontrolle ultralight“.

Denn ob geschmolzene Zäpfchen im Sommer oder gefrorene Fiebersäfte im Winter: Dass es bei den Versendern Probleme bei der Arzneimittellieferung in puncto Temperatur gibt, ist unumstritten. Schon vor Jahren fordert der CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger eine Temperaturkontrolle für Versender, mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) wurde 2020 eine Regelung in § 17 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) aufgenommen, nach der der Apothekenleiter beim Versand von Arzneimitteln sicherzustellen hat, dass „das Arzneimittel so verpackt, transportiert und ausgeliefert wird, dass seine Qualität und Wirksamkeit erhalten bleibt; insbesondere müssen die für das Arzneimittel geltenden Temperaturanforderungen während des Transports bis zur Abgabe an den Empfänger eingehalten werden; die Einhaltung muss bei besonders temperaturempfindlichen Arzneimitteln, soweit erforderlich, durch mitgeführte Temperaturkontrollen valide nachgewiesen werden“.

Das Problem: Die Kontrolle fehlt – seitens der deutschen Behörden, weil die Versender ihren Sitz im Ausland haben, und seitens der ausländischen Behörden, weil die Ware nach Deutschland verschickt wird und diese sich nicht für zuständig erklären. Dieses Vakuum ärgert auch den Großhandelsverbands Phagro, der sich nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen Nachteile in der Versorgung vor Ort massiv dafür stark macht, dass der Versandhandel endlich ebenfalls zur Einhaltung der Temperaturvorgaben verpflichtet und dies auch kontrolliert wird.

Vor einem Jahr nahm die FDP das Thema noch einmal auf ihre Agenda, doch mit dem Ampel-Aus kam die Reform nicht mehr zustande. Dafür fand es Eingang in den Koalitionsvertrag: „Auch vereinheitlichen wir die Vorgaben für Vor-Ort-Apotheken und Versandapotheken, insbesondere bei der Einhaltung von Kühlketten und Nachweispflichten“, heißt es wörtlich. Im Juni sprach sich Simone Borchardt, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU, für eine schnelle Lösung aus: Es gehe nicht nur um Medikamentensicherheit, sondern auch um Versorgungs- und Qualitätsverbesserung, betonte sie im Interview mit APOTHEKE ADHOC.

Mit der Apothekenreform soll nun eine Regelung eingeführt werden. So soll noch einmal konkretisiert werden, dass bei kühlkettenpflichtigen und kühlpflichtigen Arzneimitteln „ein für Kühltransporte geeignetes Transportunternehmen mit der Lieferung beauftragt“ wird, das „die Arzneimittel entsprechend der von der Apotheke mitgeteilten Temperaturanforderungen transportiert und ausliefert, die Temperaturanforderungen bei Lieferungen, die nicht sofort zugestellt werden können, für die Übergangszeit bis zur erfolgreichen Zustellung gewährleistet und einen lückenlosen Nachweis der Einhaltung der Temperaturbedingungen zur Verfügung stellt; der Nachweis ist zu dokumentieren und drei Jahre lang aufzubewahren“.

Zur Begründung heißt es: „Kühlkettenpflichtige und kühlpflichtige Arzneimittel haben spezielle Temperaturanforderungen, deren Einhaltung für die Qualität des Arzneimittels und damit für eine sichere Arzneimittelanwendung durch die Patientin oder den Patienten relevant sind. Die Einhaltung dieser Anforderungen muss auch während eines längeren Transports und gegebenenfalls bei Zwischenlagerungen und einer erneuten Zustellung gegeben sein. Damit dies besser gewährleistet wird, werden die bisherigen Vorgaben, nach der Apothekenleitungen den Erhalt der Qualität und Wirksamkeit der Arzneimittel beim Versand sicherstellen müssen, konkretisiert. Apothekenleitungen müssen daher zukünftig ein geeignetes Transportunternehmen mit dem Versand beauftragen. Dazu gehört, dass dieses insbesondere das Arzneimittel entsprechend der individuellen Temperaturanforderungen transportiert und ausliefert, und dass es diese Anforderungen auch bei einer Zwischenlagerung und einer erneuten Zustellung einhält. Der vom Transportunternehmen zur Verfügung gestellte lückenlose Nachweis der Einhaltung der Temperaturanforderungen muss zudem von der Apothekenleitung dokumentiert und drei Jahre lang aufbewahrt werden.“

Allerdings geht man im Ministerium selbst davon aus, dass entsprechende Unternehmen bereits beauftragt werden. Daher wird aufgrund geringer Fallzahlen von einem geringfügigen Aufwand bei den betroffenen Versendern ausgegangen. Bei etwa 32,7 Millionen Packungen an kühlpflichtigen und kühlkettenpflichtigen Arzneimitteln und einem Rx-Versandhandelsanteil von aktuell etwa 1,5 Prozent ist laut BMG davon auszugehen, dass etwa 490.000 Packungen von Versandapotheken versendet werden. „Der Übertrag der vom Transportdienstleister übermittelten Daten dürfte weitestgehend automatisch erfolgen. Für eine Überprüfung der entsprechenden Daten und die Dokumentation ist schätzungsweise eine Minute anzunehmen, die durch PTA erfolgen kann (mittleres Lohnniveau, 34,20 Euro/Stunde). Somit können für den Dokumentationsaufwand insgesamt etwa 280.000 Euro jährlich angenommen werden.“

Anders als immer wieder gefordert, gilt die Regelung zur Temperturkontrolle gerade nicht für alle Arzneimittel, sondern nur für kühlpflichtige und kühlkettenpflichtige Präparate. Dies entspricht der Argumentation der Versender. So hatte DocMorris-CEO Walter Hess etwa ausweichend erklärt, dass man längst hohe Anforderungen bei kühlkettenpflichtigen Produkten beachten müsse. „Es wäre interessant zu sehen, ob die Apotheken vor Ort in diesem Zusammenhang auch so gut aufgestellt sind.“ Er gehe davon aus, dass DocMorris schon „auf der sicheren Seite“ sei.

Zuletzt hatte Dr. Georg Kippels, Parlamentarischer Staatssekretär im BMG, noch einmal zu Protokoll gegeben, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen geben dürfe. Hier seien Kontrollen nötig, beispielsweise durch Stichprobenkontrollen. Aber statt einer Lösung kam von ihm eine klare Aufforderung: „Man könne auch Testsendungen anfordern, wenn draußen 40 Grad sind“, sagte er. „Bestellen Sie mal beim ein oder anderen Anbieter. Lassen Sie es unter notarieller Aufsicht überprüfen, messen und attestieren.“ Wo ein Wille sei, sei auch ein Weg.

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