Unverständnis für Neueröffnung

Sind Apotheken die neuen Dönerbuden?

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Berlin -

Die Apothekendichte mancherorts macht nicht nur den Inhabern das (Über)Leben schwer. Auch in der Wahrnehmung der Bevölkerung werden sie immer wieder auf eine Stufe mit Dönerbuden und Friseurläden gesetzt, die so allgegenwärtig wie unbeliebt sind. So reagieren viele Menschen in Horb am Neckar mit Unverständnis, wenn sie von der baldigen Eröffnung einer vierten Apotheke im Radius von 300 Metern hören.

„Ich hätte mir ja lieber einen Dönerladen gewünscht, die sind noch seltener als Apotheken in Horb“, kommentiert eine Facebook-Nutzerin mit einer Portion Sarkasmus den Bericht des „Schwarzwälder Boten“ über die baldige Eröffnung der Apotheke. „Das ist doch mal eine tolle Nachricht. Endlich noch eine Apotheke in Horb“, schreibt ein weiterer Leser ebenfalls voller Sarkasmus. „Das Horber Glück wäre nun noch perfekt, wenn noch ein paar Dönerläden und ein paar Glücksspielhallen in Horb ihr zu Hause finden. Ganz großes Kino.“ So oder ähnlich geht es auch weiter. Alle Kommentare unter dem Bericht sehen die Eröffnung kritisch.

Mitte 2018 will Monika Rönfeldt-Büttel ihre Neckar-Apotheke in einem Gebäudekomplex, in dem sich auch die Kreisparkasse befindet, eröffnen. Derzeit gibt es in Horb drei Apotheken, die knapp 25.000 Horber versorgen. Dabei handelt es jedoch nicht um eine zusammenhängende Kleinstadt, sondern um ein Konstrukt, das aus der Kernstadt mit rund 5500 Einwohnern und umliegenden Ortschaften besteht.

Kristall-, Schiller-, Stadt- und Neckar-Apotheke: Alle vier wären in der Kernstadt auf engstem Raum konzentriert: Die Schiller- und die Stadt-Apotheken, die Susanne Theurer-Brendle gehören, trennen nur 55 Meter. Lediglich 140 Meter weiter befindet sich die Kristall-Apotheke von Steffen Weis. Genauso weit entfernt – nur in der entgegengesetzten Richtung – soll die Neckar-Apotheke liegen.

Kann das gut gehen? Rönfeldt-Büttel meint Ja. „Es gab früher in der Stadt auch schon vier Apotheken und das hat auch funktioniert“, sagte die 52-Jährige, die in Horb geboren und aufgewachsen ist, dem Schwarzwälder Boten. Ihre Apotheke soll eine Bereicherung für die Stadt sein und zur guten Entwicklung von Horb beisteuern. Die Apotheke sei außerdem eine Stärkung für die medizinische Versorgung in der Stadt, besonders bei den Öffnungszeiten. Unter der Woche bis 20 Uhr, am Samstag bis 16 Uhr soll die Neckar-Apotheke geöffnet sein. „Damit lässt sich manche Fahrt zur Notdienst-Apotheke vermeiden, denn das ist ein Problem in der Region", meint sie. Die Entfernungen seien oft groß.

Viele Bürger sehen das offenbar anders. Wenn eine Apotheke, dann in Stadtteil Hohenberg, sind sie sich einig. „Wie wäre es mit einer Apotheke auf dem Hohenberg? Damit vielleicht auch die älteren Menschen es einfacher haben“, schreibt eine Bürgerin. Auch Nadine Kloss pflichtet ihr bei: „Mit zwei kleinen Kindern ist es jedes mal Stress pur dank der besch.... Parkplatzsituation in die Apotheke zu gehen. Genauso für Rentner oder die, die keinen Führerschein besitzen.“

Auch Lokalpolitiker hadern mit der Situation. Einerseits herrsche in der Innenstadt hoher Leerstand, sagte SPD-Ortsvorsitzende Jérôme Brunelle gegenüber APOTHEKE ADHOC. Auch würden mit der Eröffnung der Neckar-Apotheke neue Arbeitsplätze geschaffen. Einen wirklichen Bedarf gebe es für eine vierte Apotheke allerdings nicht, ist er überzeugt. Wenn es nach dem SPD-Mann ginge, würde es in Horb eine Apotheke in der Kernstadt und eine auf dem Hohenberg geben.

Kritisch sieht Brunelle dabei die Rolle der Stadtverwaltung. Trotz Wirtschaftsförderer, Citymanager und Stadtmarketing scheine es unmöglich, die Apotheken besser im Stadtgebiet zu verteilen, sagte er. Da Apotheker frei entscheiden könnten, wo sie sich niederlassen, müsse man eben für attraktive Rahmenbedingungen sorgen.

Rein aus unternehmerischen Sicht könne er die Entscheidung der Apothekerin, in den Kernstadt und eben nicht auf den Hohenberg zu gehen, nachvollziehen. „An ihrer Stelle würde mich auch für den jetzigen Standort entscheiden“, sagt er. Die Konkurrenz in der Kernstadt müsse die Apothekerin nicht scheuen. Denn der Standort sei verkehrstechnisch viel günstiger gelegen als die Bestandsapotheken. „Die Frage dabei ist: Was wird aus den vorhandenen Apotheken?“, so Brunelle. Das meinen auch einige Bürger: „Es werden dann nicht mehr lange vier Apotheken sein...“, schreibt Stefanie S.

Elisabeth Schneiderhan, Stadträtin und bis vor kurzem PTA in der Schiller-Apotheke, hält zwar eine vierte Apotheke ebenfalls für überflüssig, denkt aber nicht, dass die Bestandsapotheken um ihre Existenz bangen müssten. „Zumindest die Schiller- und die Stadtapotheken haben eine sehr starke Bindung zu ihren Kunden“, sagte sie gegenüber APOTHEKE ADHOC. „Sie kommen auch weiterhin.“ Für das Überleben der Apotheken sei ohnehin in erster Linie die Ärztedichte entscheidend.

Die Umbauarbeiten sollten Anfang des Jahres beginnen, die Eröffnung der neuen Neckar-Apotheke ist für Mitte 2018 geplant. Die Apothekerin sucht bereits nach Personal. „Eine Mitarbeiterin habe ich schon“, sagte sie im Dezember. Rönfeldt-Büttel, die seit 20 Jahren die Apotheke am Bahnhof in Herrenberg führt, wird die Neckar-Apotheke selbst leiten. Ihr Ehemann, der ebenfalls Apotheker ist soll die Herrenberger Apotheke als Filiale übernehmen. Nach der geplanten Sanierung des elterlichen Hauses will die Apothekerin laut Schwarzwälder Boten auch ihren privaten Lebensmittelpunkt wieder nach Horb verlegen. Mit offenen Armen wird sie in ihrer Heimatstadt wohl nicht von allen empfangen.

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