Kein Austausch ohne Nachweis

Nullretax: PTA darf Patient nicht vertrauen

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Berlin -

Original statt Import abgegeben, für die Kassen ist der Fall eindeutig: Nullretax. Eine Apotheke aus Sachsen-Anhalt hatte im Fall eines Insulins pharmazeutische Bedenken geltend gemacht, doch das Landessozialgericht (LSG) ließ den Hinweis der PTA nicht gelten.

Der Fall liegt schon ein paar Jahre zurück: Im Juni 2018 hatte eine Apotheke aus dem Raum Halle/Salle einen Patienten mit Insuman Rapid versorgt. Eine Internistin hatte die Zylinderampullen in der Packungsgröße N2 am selben Tag verordnet, auf dem Rezept hatte sie die PZN für das Originalpräparat von Sanofi angebeben, aber nicht das Aut-idem-Kreuz gesetzt.

Ein Dreivierteljahr später kam die Retaxation. Zwar hatte die PTA, die den Versicherten bedient hatte, handschriftlich notiert: „Patient klagt über kürzere Dauer des Insulins; Original beliefert, um gut eingestellte Diabetestherapie nicht zu gefährden.“ Doch das ließ die Kasse kalt: „Rabattvertrag nicht eingehalten gem. § 129 Abs. 2 SGB V und RV § 4“, so der Retaxgrund.

Im Widerspruchsverfahren argumentierte der Landesapothekerverband (LAV), die Apotheke habe pharmazeutische Bedenken angemeldet. Außerdem sei das Rabattarzneimittel nicht lieferbar gewesen. Doch die Kasse wollte davon nichts wissen: Beim Austausch zwischen Reimport- und Originalarzneimitteln seien pharmazeutische Bedenken deshalb nicht relevant, weil beide Präparate absolut identisch seien. Im Übrigen liege kein Defektnachweis vor. Der komplette Betrag von 87,87 Euro wurde mit anderen Rezepten verrechnet.

Import wirkt angeblich schlechter

Vor dem Sozialgericht Halle (SG) legte die Apotheke dar, das Originalpräparat sei auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherten abgegeben worden. Es handele sich um einen insulinpflichtigen Diabetiker, der regelmäßig mit Insuman Rapid versorgt werde. Im konkreten Fall habe er es abgelehnt, sich anstelle des verordneten Medikaments ein importiertes Präparat aushändigen zu lassen. Zur Begründung habe er angegeben, dass sein Blutzuckerspiegel bei einem vorherigen Austausch nach erheblich kürzerer Zeit als beim Einsatz des Originals wieder angestiegen sei. Obwohl die PTA ihn über die Wirkstoffidentität sowie ihre Verpflichtung zum Austausch aufgeklärt habe, habe er sich nicht von seiner Haltung abbringen lassen. Zwar habe sie die Bedenken naturgemäß nicht überprüfen können; generell auszuschließen gewesen seien sie jedoch nicht.

Vor dem Hintergrund des Rahmenvertrags sowie § 17 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), nach dem eine Voraussetzung für den Austausch ist, dass „die Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist, einverstanden ist“, habe sie „sonstige Bedenken“ geltend machen können. Seien Bedenken nicht durch Beratung zu klären, müsse von der Abgabe des Rabattarzneimittels abgesehen werden; das gelte auch für Original und Import. Eine entsprechende Klarstellung, dass bei der Auswahl des abzugebenden Arzneimittels nur solche Präparate zu berücksichtigen seien, gegen die keine sonstigen (pharmazeutischen) Bedenken bestünden, sei mittlerweile auch in § 14 Rahmenvertrag aufgenommen worden. Im Übrigen habe auch keine Unklarheit vorgelegen, die durch Kontaktaufnahme mit der Ärztin hätte beseitigt werden können: Schließlich habe diese das abgegebene Präparat eindeutig verordnet.

Die Kasse blieb bei ihrer Haltung: Reimport und Original seien nicht nur rechtlich, sondern auch pharmakologisch identisch; es erfolge lediglich eine Umetikettierung. Insofern hätten keine relevanten pharmazeutischen Bedenken vorgelegen, sondern lediglich lautstark und unsubstantiiert“ Vorbehalte des Versicherten, der das Rabattmedikament zuvor noch gar nicht erhalten habe. Er sei zuvor lediglich einmal mit einem anderen Reimport versorgt worden. Allein dadurch, dass sich ein Versicherter „lautstark und unsubstantiiert“ gegen eine konkrete Versorgung wende, würden die gesetzlichen und vertraglichen Abgaberegeln nicht außer Kraft gesetzt. Die Apotheke hätte sich daher in Abstimmung mit der Arztpraxis um eine Beseitigung der Unklarheit bemühen oder den Versicherten auf die Möglichkeit des Erwerbs über die Regelung der Kostenerstattung hinweisen müssen.

Ärztin sollte entscheiden

Das SG wies die Klage der Apotheke ab: Die vom Versicherten geschilderten Einwände hätten Probleme bei der Anwendung des Arzneimittels beinhaltet; die Apotheke hätte daher auf die Ärztin verweisen oder selbst Rücksprache halten müssen. Da dies nicht geschehen sei, habe gar kein Arzneimittel abgegeben werden dürfen. Eine Abgabe ohne Rücksprache mit dem Arzt stelle keine Klärung der Bedenken dar. Denkbar sei, dass der Arzt trotz Rücksprache und Schilderung der Bedenken keine Veranlassung sehe, eine Ersetzung des namentlich benannten Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches auszuschließen. In einem solchen Fall seien die Bedenken als geklärt anzusehen, und zwar in dem Sinne, dass das rabattbegünstigte Arzneimittel abzugeben sei. Anderenfalls könnten sich Apotheken allein aufgrund des Patientenwillens über die vertragsärztliche Arzneimittelverordnung und die damit verbundenen gesetzlichen bzw. vertraglichen Verpflichtungen hinwegsetzen.

Auch das LSG wies in zweiter Instanz darauf hin, dass Versicherte, sofern kein Aut-idem-Kreuz gesetzt sei, lediglich Anspruch auf das Rabattvertragsarzneimittel hätten. „Spiegelbildlich besteht für unter Verstoß gegen das Substitutionsgebot abgegebene Medikamente selbst dann kein Vergütungsanspruch der Apotheken, wenn Versicherte das betreffende Präparat zur Behandlung einer lebensbedrohlichen, regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit beanspruchen können.“

Zwar gelte das Substitionsgebot nicht unbeschränkt; so könnten Apotheken tatsächlich pharmazeutische oder sonstige Bedenken geltend machen, was dann auch weit auszulegen sei: Selbst patientenindividuelle sowie erkrankungsspezifische Gründe führten nicht gleich zu einem Anspruch auf Versorgung mit einem „Wunschpräparat“, so das LSG. Schließlich habe auch keine Unklarheit im Sinne der Vorschriften vorgelegen, die die Apotheke vor der Abgabe mit der Praxis hätte klären müssen.

Versichertenaussage zählt nicht

Aber: Patientenindividuelle oder erkrankungsspezifische Aspekte müssen laut LSG objektivierbar sein. „Allein das subjektive Empfinden eines Versicherten begründet für diesen keinen Anspruch auf Versorgung mit einem bestimmten Fertigarzneimittel, womit dem Leistungserbringer spiegelbildlich keine entsprechende Vergütung zu leisten ist. Vielmehr bedarf es auf Grundlage des anerkannten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes des vollen Nachweises, dass im Wesentlichen durch die indikationsgerechte Anwendung des in Rede stehenden Alternativpräparats zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine zusätzliche behandlungsbedürftige Erkrankung beziehungsweise behandlungsbedürftige Verschlimmerung einer bereits bestehenden Krankheit bedingt wird.“

Das sei hier schon deswegen nicht der Fall, weil der Versicherte das konkrete Rabattpräparat zuvor noch gar nicht erhalten hatte. Ob also seitens der PTA und der verantwortlichen Apothekerin die Vorgaben eingehalten hätten, spiele daher gar keine Rolle mehr.

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