Anwalt kommentiert Hüffenhardt-Entscheidung

„Nicht alles, was DocMorris sich überlegt, ergibt Sinn“

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Berlin -

Der DocMorris-Automat bleibt verboten, der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Nichtzulassungsbeschwerde der Versandapotheke ab. „Hüffenhardt ist Geschichte. Den Versuchen, die Abgabe von Arzneimitteln aus den Apotheken heraus zu verlagern, wird damit endgültig Einhalt geboten. Das hat über den Fall Hüffenhardt hinaus grundlegende Bedeutung“, kommentiert Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas von Friedrich Graf von Westphalen & Partner in Freiburg, der den Kölner Apotheker Erik Tenberken vertreten hatte.

„Die Bindung der Abgabe von Arzneimitteln an Apotheken darf nicht verwässert werden. Dem schiebt der BGH einen Riegel vor“, so Douglas. Starke Kontrollmechanismen durch die Apotheken seien wichtig, um die vielfältigen Gefährdungen, die von Arzneimitteln ausgingen – insbesondere das teilweise hohe Suchtpotenzial – einzugrenzen. „Die Entscheidung verdeutlicht, dass unter dem Deckmantel der Warenverkehrsfreiheit ausländische Marktteilnehmer nicht vollkommene Freiheit für ihre Aktivitäten begehren können. Sie müssen vielmehr die Grundregeln einhalten, die auf einem Markt durch den Gesetzgeber vorgegeben sind.“

Laut Douglas können Automaten aufgrund des fehlenden persönlichen Kontaktes und des eingeschränkten Angebots keine Apotheke ersetzen. „Zwar verfügt nicht mehr jede Gemeinde über eine eigene Apotheke. Die im ländlichen Raum angesiedelten Apotheken stellen aber durch Botendienste eine flächendeckende Versorgung sicher. Um die in ländlichen Gebieten verbliebenen Apotheken nicht weiter zu gefährden, gilt es gerade sicherzustellen, dass nicht durch derartige Abgabemodelle die flächendeckende Versorgung weiter geschwächt wird.“

Mit Blick auf die anhaltenden Diskussionen über die zukünftige Ausgestaltung des Arzneimittelvertriebs sieht Douglas die Position der Vor-Ort-Apotheken gestärkt: „Mit der Hervorhebung des weiten Wertungsspielraums des nationalen Gesetzgebers im Bereich der Ausgestaltung des Gesundheitswesens hat der BGH den Versuchen von DocMorris, aus allein wirtschaftlichen Gründen das Gesundheitsschutzniveau in Deutschland abzusenken, eine deutliche Grenze gesetzt“, betont Douglas. „Nicht alles, was DocMorris sich im Interesse der Aktionäre überlegt, ergibt einen Sinn.“

Es bleibe zu hoffen, dass diese klaren Worte des BGH auch in Berlin Gehör fänden, so Douglas. „Die Beteiligten sollten sich bei den nun anstehenden Verhandlungen über die Frage, wie der Ungleichbehandlung zwischen deutschen Apotheken und im Ausland ansässigen Apotheken ein Ende gesetzt werden kann, dazu entschließen, effektive Maßnahmen zu ergreifen, und nicht aus falsch verstandener Rücksichtnahme vor Brüssel den Gesundheitsschutz opfern.“

Mit Beschluss vom 30. April hatte der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde von DocMorris gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe aus dem Mai 2019 zurückgewiesen. Die Untersagung des Betriebs des Apothekenautomaten sowohl für verschreibungspflichtige als auch freiverkäufliche Arzneimittel durch die zuständigen Behörden war demnach rechtmäßig, weil dieser gegen deutsches Arzneimittel- und Apothekenrecht verstößt. Geklagt hatten neben Tenberken zwei regionale Apotheker sowie der Landesapothekerverband Baden-Württemberg.

Das Hüffenhardt-Urteil des OLG Karlsruhe ist damit rechtskräftig. Die Karlsruher Richter hatten ihre Entscheidung im Mai 2019 damit begründet, dass es sich bei dem Automaten nicht wie von DocMorris vorgebracht um einen „Versand an den Endverbraucher von einer Apotheke“ handelt, wenn die Arzneimittel zunächst ohne konkrete Bestellung in Hüffenhardt gelagert und dann auf Kundenwunsch abgegeben werden. Versandhandel setze eine Bestellung des Endverbrauchers zeitlich vor der Bereitstellung, Verpackung und Absendung des Arzneimittels voraus. Zudem verstoße der Automat gegen Prüf- und Dokumentationspflichten bei der Bearbeitung von Rezepten und der Abgabe der Arzneimittel an Endverbraucher. Die per Video erfolgenden Kontrollen und die erst nach Verbringung der Rezepte in die Niederlande vorgenommenen Vermerke genügten nach Ansicht der Richter nicht den Vorschriften der deutschen Apothekenbetriebsordnung. Es sei beispielsweise nicht gewährleistet, dass Änderungen auf der Verschreibung durch den Apotheker unmittelbar bei Abgabe des Arzneimittels vermerkt werden.

Der BGH bestätigte dieses Urteil und hob in der Begründung seines Beschlusses hervor, dass insbesondere kein Anlass bestanden habe, den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vorzulegen – wie DocMorris es angestrebt hatte. Denn selbst wenn ein Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit vorliegen würde, sei dieser jedenfalls zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt. Aufgrund des im Bereich des Gesundheitsschutzes den Mitgliedstaaten zustehenden Wertungsspielraums sei der Gesetzgeber berechtigt, das Vertriebsmodell von DocMorris zu untersagen, um Gesundheitsschäden durch Arzneimittel zu verhindern, die aufgrund von Verwechslungen, fehlerhafter Lagerung und Aufbewahrung sowie durch Arzneimittelfälschungen, Wirkstoffverlust oder den Zugriff unberechtigter auf Arzneimittel verursacht werden könnten. Da die Regelung unmittelbar der Arzneimittelsicherheit und damit auch unmittelbar dem Leben und der Gesundheit der Bevölkerung diene, müsse auch nicht geprüft werden, ob es möglich sei, diese Ziele durch Maßnahmen zu erreichen, die den freien Warenverkehr möglicherweise weniger beschränken.

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