Arbeitspreis für Parenteralia

LSG: Kassen müssen mit Schiedsspruch leben

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Berlin -

Der Arbeitspreis bei Parentalia liegt bei 100 Euro, das Landessozialgericht Berlin/Brandenburg (LSG) hat den Schiedsspruch dazu bestätigt. Wie schon bei den pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) räumte das Gericht der Schiedsstelle einen weiten Ermessensspielraum ein: Die Vertragspartner müssen auch mit für sie unbequemen Entscheidungen leben.

Der Schiedsspruch sei „durch seinen Kompromisscharakter geprägt und regelmäßig nicht die einzig sachlich vertretbare Entscheidung“, so das LSG. „Deshalb ist der Schiedsstelle ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist.“ So gesehen sei das Schiedsverfahren als Verlängerung der Vertragsverhandlungen unter Führung unparteiischer Mitglieder zu verstehen, denn zu einem Schiedsspruch komme es erst, wenn sich die Beteiligten auch vor der Schiedsstelle nicht einigen könnten. „Der Schiedsspruch ersetzt dann die fehlende, konsensual getroffene Regelung durch eine Rechtsetzung, die häufig im Wege eines Kompromisses die unterschiedlichen Interessen zusammenführt.“

Im Grunde hätten sowohl das 2hm-Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums als auch das REFA-Gutachten erhebliche Mängel aufgewiesen. Dennoch habe die Schiedsstelle die Ergebnisse zugrunde legen können, um die Zuschläge „unter Einbeziehung der Lohn- und Gehaltsentwicklung, aber auch der inflationsbedingten Steigerungen der weiteren Zubereitungsfaktoren“ festsetzen zu können. Die Abwägung, bei der auch Versorgungsgesichtspunkte sowie die Festsetzung der Herstellerabschläge im vorausgegangenen Schiedsverfahren berücksichtigt wurden, sei willkürfrei erfolgt, nachvollziehbar begründet und verstoße nicht gegen zwingendes Recht.

Keine Preisobergrenze in AMPreisV

Insbesondere gebe § 5 Abs. 6 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) nicht, wie von den Kassen behauptet, eine Preisobergrenze vor. Vielmehr seien hier für den Fall, dass es keine Vereinbarung gebe, Apothekenzuschläge für bestimmte Zubereitung vorgesehen – 90 Euro etwa für Zytostatika. Dies stelle allerdings nur eine Auffangregelung dar und bilde keine absolute Preisgrenze für die Vereinbarung von Herstellungszuschlägen beziehungsweise deren Festsetzung durch Schiedsspruch: „Dass die in § 5 Abs. 6 AMPreisV geregelten Zuschläge nur dann gelten sollten, wenn keine geringeren Zuschläge vereinbart worden sein sollten, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus Systematik beziehungsweise Sinn und Zweck der Regelung.“

Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass nach § 1 Abs. 3 Nr. 8 AMPreisV sowie § 129 Abs. 5c Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB V) die Preisspannen bei Parenteralia von der einheitlichen Systematik ausgenommen sind. Vielmehr habe der Normgeber dort, wo er verbindliche Preisobergrenzen regeln wollte, dies auch explizit klargestellt. „Der Normgeber sah auch keine Veranlassung, eine solche Regelung beziehungsweise Klarstellung mit Einführung der Schiedsstellenregelung zum 1. April 2017 vorzunehmen.“

Diese Regelung benachteilige die GKV auch nicht unangemessen gegenüber der PKV beziehungsweise anderen Sozialleistungsträgern. „Es trifft schon nicht zu, dass § 5 Abs. 6 AMPreisV systematisch verhindern solle, dass die bisher niedrigeren Preise der Hilfstaxe auf die für die PKV und andere Sozialleistungsträger geltenden Regelungen angehoben werden.“ Dass die GKV nunmehr für dieselbe Leistung mehr bezahlen müsse als die PKV, obwohl bei ihr ein Inkassorisiko gerade nicht bestehe, trifft laut LSG nicht zu. Ohnehin hätten die Kassen durch die wiederholt erfolgten erheblichen Abschläge auf die Listenpreise der Ausgangssubstanzen hohe Rabatte erzielt, die zuletzt auf rund 570 Millionen Euro beziffert worden seien.

Faires Verfahren

Verstöße gegen ein faires Verfahren, wie vom GKV-Spitzenverband behauptet, habe es trotz teilweise knapper Stellungnahmefristen nicht gegeben. In der mündlichen Schiedsverhandlung hätten die Beteiligten ihre Standpunkte insbesondere im Hinblick auf die widersprechenden Gutachten eingehend darlegen können. „Rechtliches Gehör wurde allen Beteiligten des Schiedsverfahrens ausreichend gewährt.“ Die Schiedsstelle habe sämtliche Stellungnahmen und Unterlagen erwogen und gewürdigt – eine vollständigen Aufklärung aller Umstände sei der Schiedsstelle nicht zuzumuten und würde das Verfahren zudem erheblich verzögern.

Schon der Charakter des Schiedsstellenverfahrens gebiete ein zügiges und beschleunigtes Verfahren. Die Schiedsstelle durfte daher auch vor dem Hintergrund des kurz vorher ergangenen Schiedsspruchs zur Festsetzung von Rabatten für die Wirkstoffe frei entscheiden. Das LSG sieht hier jedenfalls einen wirtschaftlichen Zusammenhang.

Dem GKV-Spitzenverband sei auf Grund der Kündigung der Hilfstaxe bekannt gewesen, dass eine Entscheidung zur Anpassung des Herstellungszuschlages in diesem oder einem Folgeverfahren anstand. Er habe auch gewusst, dass der Deutsche Apothekerverband (DAV) dazu einen Antrag einbringen werde, der über die aus seiner Sicht aus § 5 Abs. 3 und Abs. 6 AMPreisV hergeleiteten Grenzen hinausgehen würde.

Der Schiedsspruch verletze schließlich auch nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot nach SGB V, nach dem Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Diese Vorgaben seien zwar auch bei der Vereinbarung von Verträgen sowie bei Schiedssprüchen zu beachten; allerdings dürften sie nicht „überspannt“ werden.

Dass die Schiedsstelle wegen der als vergleichbar angesehenen Herstellungsbedingungen und Personalaufwände einheitliche Herstellungszuschläge festgesetzt habe, obwohl bei Folinatlösungen bis dahin geringere Beträge festgesetzt waren, sei nicht zu beanstanden: „Allein die Möglichkeit einer anderen Ausgestaltung des die konsensuale Vereinbarung der Vertragspartner ersetzenden Schiedsspruchs führt nicht zu einem Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Dass die von der [Schiedsstelle, Anm. d. Red] angestellten finanziellen Erwägungen den Kläger nicht überzeugen, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Vertragsinhalts.“

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