Betriebs- statt Großhandelerlaubnis

Einkaufskonditionen: Apotheke darf Hersteller täuschen

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Berlin -

Wo Arzneimittel im Graumarkt gehandelt werden, mischen auch einige Apotheken mit. Alles, was man braucht, ist eine Großhandelserlaubnis. Den Herstellern sind solche Zwischenhändler mitunter ein Dorn im Auge, da sie nicht nachvollziehen können, welchen Weg ihre Präparate nach der Lieferung nehmen. Doch einfach verbieten lassen sich solche Konstruktionen auch dann nicht, wenn die Apotheke ihre Lieferanten offenbar gezielt in die Irre führt, wie ein Fall vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG) zeigt.

In dem Fall geht es um einen Verbund aus zwei Apotheken, zu dem seit 2017 auch ein eigener Großhandel gehört. Der Geschäftsbereich wird unter derselben Adresse wie die Hauptapotheke betrieben, ist allerdings als eigenständiges Gewerbe angemeldet und auch räumlich – wie vorgegeben – vom Apothekenbetrieb getrennt: Im Bauplan, der bei Beantragung der Großhandelserlaubnis eingereicht wurde, sind zwei eigene Räume für „Großhandel“ und „Anlieferung Großhandel“ gekennzeichnet, die außerhalb der farblich markierten Betriebsräume liegen.

Als Apotheke eingekauft ...

Im April 2021 fiel der zuständigen Behörde bei einer Inspektion auf, dass verschiedene Medikamente, die später an andere Großhändler weiterverkauft worden waren, bei den jeweiligen Herstellern unter dem Namen der beiden Apotheken erworben worden waren: Auf den Lieferscheinen und Rechnungen tauchten die Namen von Hauptapotheke und Filiale auf. Einen Hinweis auf die Großhandelserlaubnis, ohne die der Weiterverkauf rechtlich nicht möglich gewesen wäre, gab es nicht.

Auch Nachfragen bei den Überwachungsbehörden der jeweiligen Hersteller ergaben, dass die Lieferungen jeweils auf Grundlage der Betriebserlaubnis der Apotheke erfolgt seien – und nicht unter Bezugnahme auf die Großhandelserlaubnis. Die Unternahmen gaben an, die Apotheken und nicht den Großhandel der Apotheke beliefert zu haben.

... als Großhandel weiterverkauft

So kam die Behörde zu dem Ergebnis, dass die an die beiden Apotheken gelieferten Arzneimittel erst intern an den eigenen Großhandel und von diesem an andere Großhändler abgegeben worden sein mussten. Zu einem innerbetrieblichen Übergang hatten sich bei der Inspektion aber keinerlei Dokumente gefunden. Stattdessen hatte man nur Warenkartons entdeckt, die an eine der beiden Apotheken adressiert waren.

Daher wurde der Apotheke im Juli 2021 mit sofortiger Wirkung untersagt, Arzneimittel, die auf Grundlage der Betriebserlaubnis erworben wurden, an ihren eigenen Großhandel oder an andere Großhandelsbetriebe abzugeben. Die Bestellung über die Apotheken – und nicht über die Großhandelsabteilung – komme einem Großhandel ohne Erlaubnis gleich.

Die Inhaberin klagte und bekam in erster Instanz in jeder Hinsicht Recht: Nach § 69 Arzneimittelgesetz (AMG) könnten die Behörden zwar das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche Großhandelserlaubnis nicht vorliege. Dies sei hier aber nicht der Fall, da die Apotheke ja über die erforderliche Großhandelserlaubnis verfüge. „Auf die (rechtmäßige) Herkunft der gehandelten Arzneimittel kommt es [...] nicht an.“

Kein Wechsel der Verfügungsgewalt

Die Weitergabe von Arzneimitteln innerhalb des eigenen Betriebes stelle außerdem schon kein „Inverkehrbringen“ dar: „Durch die Weiterleitung der Arzneimittel von der Apotheke an den eigenen Großhandel der Klägerin findet kein Wechsel des die tatsächliche Verfügungsgewalt innehabenden Rechtssubjekts statt. Die Arzneimittel bleiben vielmehr zu jedem Zeitpunkt in der Verfügungsgewalt der Klägerin“, heißt es im Urteil. Daran änderten auch die räumliche Trennung zwischen Apotheke und Großhandel sowie die unterschiedlichen Gewerbeanmeldungen nichts.

Es liege daher auch kein Verstoß gegen die Arzneimittel-Handelsverordnung (AM-HandelsV) vor, nach der Großhändler Arzneimittel nicht von einer Apotheke erwerben dürfen, sondern nur vom Hersteller oder einem anderen Großhändler. „Gegen diese Vorschrift verstößt die Klägerin jedoch nicht. Genauso wenig, wie die Klägerin die Arzneimittel [...] durch die Weiterleitung von ihrer Apotheke an den eigenen Großhandel ‚inverkehrbringt‘, ‚erwirbt‘ sie diese als Großhandelsinhaberin von ihrer eigenen Apotheke. Denn die Klägerin erlangt schon in dem Moment, in dem die Hersteller die Arzneimittel bei ihrer Apotheke abliefern, Verfügungsgewalt über diese. Wenn sie diese nun aus der Apotheke entnimmt und in den Großhandel überträgt, wechselt die Verfügungsgewalt nicht; diese bleibt bei der Klägerin. Das Erwerben ist insofern nur Spiegelbild des Inverkehrbringens.“

Räumlichkeiten nicht gemeldet

Die Frage, ob das Raumtrennungsgebot nach Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), wie von der Behörde argumentiert, dahingehend auszulegen ist, dass es eine strikte Trennung der Warenströme zwischen Apotheke und Großhandel gebietet, müsse nicht beantwortet werden. „Ein derartiger Verstoß rechtfertigte nicht die Untersagung der Abgabe der Arzneimittel an den eigenen Großhandel.“ Denn durch die Ordnungsverfügung werde das Ziel der Vorschrift geradezu konterkariert: „Die Arzneimittel, die durch den Großhandel verkauft werden, sollen ja gerade in den Großhandelsräumlichkeiten gelagert werden.“

Dass die Räumlichkeiten der Apotheke, sofern dort Ware angenommen wurde, nicht gemeldet seien, rechtfertige als Verstoß ebenfalls noch nicht die Untersagung der Abgabe von Arzneimitteln an den eigenen Großhandel. „Gerechtfertigt wäre allenfalls eine Anordnung, dass die Klägerin die unterbliebene Meldung nachholt.“

Schließlich greife auch die Generalklausel, wonach die Behörde notwendige Anordnungen zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße treffen kann, in dem Fall nicht: „Eine konkrete arzneimittelrechtliche Rechtsnorm, mit der das Handeln der Klägerin kollidiert beziehungsweise kollidieren könnte, ist jedoch nicht ersichtlich.“ So existiere keine Vorschrift, die die Ausübung beider Gewerbe verbiete. Im Gegenteil: Apothekenbetriebs- und Großhandelserlaubnis können gerade nebeneinander stehen. „Eine Initiative des Bundesrates zur strikten Trennung von Apothekenbetrieb und Großhandel ist fruchtlos verlaufen“, so das Gericht mit Verweis auf einen entsprechenden Vorstoß vor einigen Jahren.

Kein Schutz vor Vorteilsnahme

Selbst die Annahme, dass sich die Apotheke einen Vorteil verschaffe, indem sie die Arzneimittel zu günstigeren Preisen als Apothekerin einkaufe, um sie dann mit größerem Gewinn als Großhändlerin zu verkaufen, begründe keinen arzneimittelrechtlichen Verstoß. „Hierbei handelt es sich – wenn überhaupt – um einen Verstoß gegen zivilrechtliche/wettbewerbsrechtliche/strafrechtliche Vorschriften, die zu schützen jedoch nicht Zielrichtung des [...] AMG ist.“

Laut § 52a AMG ist für den Großhandel mit Arzneimitteln eine Erlaubnis notwendig. Spiegelbildlich zu § 4a AM-HandelsV regelt § 17 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), dass Apotheken keine Arzneimittel von anderen Apotheken beziehen dürfen. Keine Großhandelserlaubnis wird lediglich im Rahmen des „üblichen Apothekenbetriebs“ gefordert, dazu gehören neben der Abgabe an den Endverbraucher sowie an Ärzte und Krankenhäuser im Grunde nur Retouren an den beliefernden Großhandel. Ausnahmen gelten für Filialverbünde, für die Klinikbelieferung oder die Herstellung von Parenteralia (§11 Apothekengesetz, ApoG). Auch im Rahmen einer Betriebsaufgabe oder im Notfall dürfen Medikamente aus anderen Apotheken weitergegeben werden.

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