Insolvenzverfahren

AvP: Eine (vorläufige) Schlussbilanz

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Berlin -

Im AvP-Verfahren gehen gerade die Abschlagszahlungen an die Gläubiger ein. Für viele Apotheken fließt damit fünf Jahre nach der Pleite des Rechenzentrums noch einmal Geld. Was bleibt, ist das Unverständnis über den Umfang, in dem Geld bei dem Unternehmen verschwunden ist. Eine (vorläufige) Schlussbilanz.

Ursprünglich wurden laut Insolvenzverwalter Forderungen in Höhe von 626 Millionen Euro angemeldet. Davon entfielen 345 Millionen Euro auf Apotheken, die über AvP abgerechnet hatten. Obwohl das Rechenzentrum im Grunde nur in ihrem Namen tätig geworden war, flossen die Forderungen in die Insolvenzmasse. Nur weniger der insgesamt rund 2500 betroffenen Kolleginnen und Kollegen versuchten, ihre Aussonderungsrechte gerichtlich geltend zu machen. Bis heute laufen dazu Verfahren.

Die meisten Betroffenen traten einem Vergleich bei, den Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos gemeinsam mit dem Apothekerverband Nordrhein (AVNR) sowie Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas ausgehandelt hatte. Wer freiwillig auf Aussonderungsrechte verzichtete, sollte mehrere Ausschüttungen vorab erhalten. Eine Quote von mindestens 40 Prozent sei auf diesem Wege möglich, hieß es.

15 Prozent in drei Tranchen

Tatsächlich waren Forderungen in Höhe von 309,1 Millionen Euro vom Vergleich erfasst. 2024 gab es dann die drei in Aussicht gestellten Auszahlungen:

  • Im Januar flossen 33,8 Millionen Euro, was einer Quote von 10,9 Prozent entsprach. Hier wurden 25 Prozent der auf den Altgeschäftskonten von AvP gefundenen Geldern an die Apotheken ausgekehrt.
  • Im März folgte die zweite Tranche, die für Ernüchterung sorgte: Gerade einmal 3,3 Millionen Euro wurden überwiesen, was 1,1 Prozent der ursprünglichen Forderungen entsprach. Hier wurden 35 Prozent des Betrags gezahlt, den die Kassen nach Einleitung des Insolvenzverfahrens noch überwiesen hatten.
  • Die dritte Zahlung im September fiel mit 10,3 Millionen Euro (3,3 Prozent) wieder etwas großzügiger aus. Hier wurden Gelder genutzt, die die Kassen noch nicht freigegeben oder bei Gericht oder Treuhändern hinterlegt hatten, sowie Herstellerabschläge, die bei AvP über die ebenfalls insolvente Schwesterfirma DiG (Dialog im Gesundheitswesen) abgewickelt worden waren.

In Summe hatten die Apotheken also 47,4 Millionen Euro erhalten, was 15,3 Prozent der angemeldeten Forderungen entspricht.

22 statt 26 Prozent

Jetzt folgte noch der Abschlag, von dem alle Gläubiger profitierten. Hier standen laut Hoos weitere 76,1 Millionen Euro zur Verfügung. Die Quote von 26 Prozent wurden im Fall der Apotheken aber nicht mehr nach den angemeldeten, sondern nach den verbliebenen Forderungen berechnet. So erhielten die Apotheken noch einmal 68 Millionen, was wiederum bezogen auf die ursprünglichen Forderungen nur eine Quote von 22 Prozent ergab.

In Summe wurden damit an die Apotheken 115,4 Millionen Euro ausgezahlt, was 37,3 Prozent der Forderungen entspricht. Umgekehrt bleiben 193,7 Millionen Euro verschwunden – alleine bei den Apotheken, die dem Vergleich beigetreten sind.

Dr. Detlef Glass, ehemaliger Inhaber der Prenzl-Apotheke in Berlin
Dr. Detlef Glass, ehemaliger Inhaber der Prenzl-Apotheke in Berlin, ärgert sich über den Ausgang des AvP-Verfahrens.Foto: Prenzl-Apotheke Berlin

Zu diesem Kreis gehört auch Dr. Detlef Glaß aus Berlin. Er hat seine Apotheken vor drei Jahren abgegeben, ärgert sich aber immer noch über die AvP-Pleite und jetz auch über den Ausgang des Verfahrens. „Etwas mehr Rückenwind hätte ich meinen Kolleginnen und Kollegen gegönnt. Gerade in diesen Zeiten können sie jeden Cent gebrauchen. Was für ein Trauerspiel.“

Er fragt sich, wo die knapp 200 Millionen Euro hin sind, die jetzt fehlen. „So viel kann doch kein Mensch ausgeben!“ Wenigstens der Politik müsse jetzt anhand des Falles noch einmal klar gemacht werden, wie wichtig eine solide Finanzierung der Apotheken sei.

Geschrumpfte Forderungen

Spannend ist aber noch ein weiterer Aspekt. Wurden ursprünglich Gesamtforderungen von 626 Millionen Euro genannt, war vor Auszahlung der vierten Tranche noch von 450 Millionen Euro die Rede. Da die Apotheken aber bis dahin nur jene 47,4 Millionen Euro erhalten hatten, fehlen auf der Seite der sonstigen Gläubiger plötzlich mehr als 120 Millionen Euro. Von der Pleite waren auch sonstige Leistungserbringer, Banken, Geschäftspartner und ehemalige Mitarbeitende betroffen.

Für diejenigen Gläubiger, deren Forderungen uneingeschränkt zu berücksichtigen waren, nannte das Amtsgericht Düsseldorf zuletzt einen Betrag von 292,8 Millionen Euro. Da hier bereits 261,7 Millionen Euro auf die Apotheken entfielen, blieben für sonstige Gläubiger rein rechnerisch nur 31,1 Millionen Euro. Das passt beim anteiligen Ausschüttungsbetrag von 8,1 Millionen Euro auch zur Quote von 26 Prozent.

Die Summe der unter Ausfallbeschränkung festgestellten Forderungen betrug laut Amtsgericht zuletzt 157,4 Millionen Euro. Für diesen Teil wurde zuletzt – entsprechend der Quote von 26 Prozent – ein Betrag von 40,9 Millionen Euro zurückbehalten, von dem 35,9 Millionen Euro auf die Apotheken entfallen.

Wie viel Geld verschwunden und welches Vermögen noch vorhanden ist, weiß derzeit nur der Insolvenzverwalter. Hoffnung darauf, dass es noch einmal zu einer größeren Auszahlung kommt, müssen sich die Betroffenen wohl nicht mehr machen.

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