Jedes Jahr am 7. Juni ist Tag der Apotheke. Er soll dazu dienen den Stellenwert der öffentlichen Apotheken als Instanz im Gesundheitswesen zu verdeutlichen. Eine Befragung von Noventi zeigt aber klar: Um die wohnortnahe Gesundheitsversorgung zu sichern, müssten die finanziellen Rahmenbedingungen für Apotheken verbessert werden. Denn im Ergebnis zeigt sich: Fast ein Drittel der Befragten aus den Apotheken stimmt nicht zu, dass Wirtschaftlichkeit und heilberufliche Ethik gut miteinander vereinbar sind.
Knapp 17.000 Apotheken in Deutschland und ihre wichtige Rolle in der Gesundheitsversorgung vor Ort rücken am Tag der Apotheke in den Fokus. Für viele Menschen sind sie die erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen und sichern die zuverlässige Versorgung mit Arzneimitteln. Die pharmazeutische Beratung vor Ort kann dabei sogar Leben retten, beispielsweise wenn es um gefährliche Wechselwirkungen von Medikamenten geht.
Aber: Apothekerinnen und Apotheker stehen täglich im Spannungsfeld zwischen heilberuflichem Ethos und wirtschaftlicher Notwendigkeit. Eine aktuelle Online-Befragung von Noventi via aposcope zeigt diese Herausforderung deutlich: Mit 31,6 Prozent stimmt fast ein Drittel der Befragten (eher) nicht zu, dass Wirtschaftlichkeit und heilberufliche Ethik gut miteinander vereinbar sind.
Mark Böhm, Vorstandsvorsitzender von Noventi, macht auf die Dringlichkeit des Problems aufmerksam: „Die Studie zeigt deutlich: Viele Apotheken kämpfen mit fehlenden ökonomischen Ressourcen. In unserer Befragung hat ein knappes Drittel geantwortet, dass für sie wirtschaftliche Stabilität und heilberuflicher Anspruch nicht gut miteinander vereinbar sind. Das ist ein Warnsignal. Apotheken müssen wirtschaftlich arbeiten können – ohne Kompromisse in der Qualität. Nur so wird es auch in Zukunft eine stabile und funktionierende wohnortnahe Gesundheitsversorgung geben. Als apothekeneigenes Unternehmen, das sich seit 125 Jahren für die Vor-Ort-Apotheken einsetzt, ist das unser Kernanliegen.“
Der wirtschaftliche Druck könne die Qualität der Beratung und Versorgung beeinträchtigen, so Böhm. Patientinnen und Patienten müssen dann mit weniger Zeit für persönliche Gespräche, einer eingeschränkten Produktauswahl oder einem stärkeren Fokus auf wirtschaftlich rentable Angebote rechnen. „In Extremfällen führt dies dazu, dass Apotheken ihr Geschäft aufgeben müssen – ein Trend, der sich in Deutschland fortsetzt: Die Anzahl der Apotheken ist zum 31. März auf einen neuen Tiefstand von 16.908 gesunken.“
In einer zunehmend komplexen Gesundheitswelt, in der Medikamentenwechselwirkungen und individuelle Therapiebedarfe immer wichtiger werden, ist die Beratung in der Vor-Ort-Apotheke unverzichtbar. Diese darf „nicht zur wirtschaftlichen Verhandlungsmasse werden“, so Böhm. Und weiter: „Das klare Ziel muss sein, die wohnortnahe Gesundheitsversorgung in Deutschland weiter zu stärken. Die finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen müssen für die Heilberufe so ausgestaltet sein, dass diese Berufsstände echte Wertschätzung erfahren.“
Für 28,9 Prozent der Befragten ist der Konflikt zwischen Patientenwohl und Wirtschaftlichkeit der Hauptgrund, warum sich wirtschaftliche Entscheidungen und heilberufliche Ethik schwer vereinbaren lassen. So werden beispielsweise Produkte verkauft, die nicht dem heilberuflichen Interesse entsprechen, aber wirtschaftlich notwendig sind. Das sagen immerhin 12,4 Prozent der Befragten. Zudem machen allgemeine wirtschaftliche Herausforderungen 22,7 Prozent der Befragten und der hohe Beratungsaufwand (13,4 Prozent) die Situation schwierig. Wie die Umfrage zeigt, könne intensive Beratung die Wirtschaftlichkeit der Apotheken schnell beeinträchtigen. Dabei sei gerade diese Beratung entscheidend, um Leben zu retten, etwa bei der Einnahme mehrerer Medikamente gleichzeitig, so Böhm.
Für 40,4 Prozent der Befragten wirken sich wirtschaftliche Entscheidungen (eher) negativ auf die Qualität der heilberuflichen Arbeit aus. Nur rund ein Viertel (24,8 Prozent) sieht eine positive Entwicklung. Wesentliche wirtschaftliche Entscheidungen treffen in 85 Prozent der Apotheken die Inhaberinnen und Inhaber, oft unterstützt von externen Beraterinnen und Beratern, die 36,8 Prozent der Befragten in Anspruch nehmen. Die Mitarbeitenden werden dagegen nur in rund 20 Prozent der Fälle eingebunden.
Finanzielle Fragen sind nach wie vor ein Tabuthema in der Branche. Für knapp ein Drittel (32,2 Prozent) liegt das an der gesellschaftlichen Erwartung an Heilberufe. Weitere Gründe sind eine falsche Wahrnehmung der wirtschaftlichen Situation von Apotheken, das sagten 18,9 Prozent der Teilnehmenden. Zudem seien fehlendes Finanzwissen (17,9 Prozent) sowie emotionale und wirtschaftliche Unsicherheiten (17,3 Prozent) weitere Ursachen. 11,7 Prozent der Befragten gaben an, dass es in Deutschland generell unüblich sei, offen über Geld zu sprechen.
Die wichtigsten wirtschaftlichen Herausforderungen für die Zukunft sind für 71 Prozent Apotheken Einkauf und Lagerhaltung, gefolgt von Personalmanagement (69,7 Prozent) sowie Marketing und Kundenbindung (61,2 Prozent). Die Liquiditätsplanung spielt mit 23,5 Prozent eine kleinere, aber dennoch wichtige Rolle. „Lösungen, die für den Alltag in der Apotheke maßgeschneidert sind, sind gefragt – auch das zeigen die Ergebnisse“, so Böhm.
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