Niedrigerer Preis, strengere Prüfung

Preisverfall bei Cannabis: Apotheker warnt vor Ramschqualität

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Berlin -

Bei Cannabis purzeln die Preise, doch für die Apotheken steigt damit der Aufwand. Denn je höher das Risiko für Verunreinigungen ist, umso intensiver müssen die Qualitätsprüfungen ausfallen, findet Alexander Daske aus Mannheim, der sich auf das Thema spezialisiert hat. Vor dem Hintergrund des geplanten Versandverbots für Cannabis gewinnt das Thema zusätzlich an Bedeutung.

Halle, in der Cannabis angebaut wird
Wurde bislang vor allem in Hallen angebaut, kommt immer mehr Ware aus dem Freiland.Foto: GW Pharm

Mehrere große Cannabislieferanten haben zuletzt angekündigt, mit Billiglinien in den Markt zu gehen: Huala heißt das Angebot etwa bei Four20, Truu bei Demecan und Good Supply bei Tilray. Daske bestätigt, dass es diesen Trend seit etwa einem halben Jahr gibt. Allerdings hätten sich die Preise für die Blüten im Vergleich zu vor fünf Jahren ohnehin schon mehr als halbiert – von circa 20 auf rund 8 Euro pro Gramm für sehr potente Sorten. Einige Linien seien sogar schon bei 5 Euro oder darunter angekommen.

Vor allem für Selbstzahler sei das natürlich attraktiv. „Low budget ist okay, aber die Qualität darf darunter natürlich nicht leiden“, sagt Daske. Nicht nur, dass man als Apotheke in jeder Hinsicht für Arzneimittelqualität stehen müsse. Gerade bei der Abgabe von Rezepturzubereitungen sei man in der Verantwortung, auf allerhöchste Standards zu achten, sagt Daske. „Medizinalcannabis ist ein Medikament und muss auch so behandelt werden.“

Wie kommt also der niedrigere Preis zustande? Oft wird die Ware nicht mehr kontrolliert etwa in Kanada angebaut, sondern kommt aus Ländern wie Kolumbien oder Südafrika, bald womöglich auch aus Thailand. Die Folge seien längere Wege und entsprechend längere Lager- und Transportzeiten nach der Ernte, so Daske. „Damit steigt das Risiko, dass Luftfeuchte, Temperatur, Licht nicht optimal sind und ein mikrobiologisches Problem resultieren kann.“

Aus seiner Sicht sind daher die Apotheken gefragt, stärker zu selektieren und auch stärker zu kontrollieren. Ein Thema seien dabei nachverfolgbare Lieferketten: „Ideal wäre es natürlich, wenn wir die Ware immer möglichst ‚frisch‘ abgeben könnten. So degradiert sie mit jedem Tag nach dem Erntedatum weiter.“

Glas mit Cannabisblüten
Apotheken müssen daher laut Daske genauer auf Verunreinigungen kontrollieren.Foto: APOTHEKE ADHOC

Entscheidend sind laut Daske nicht nur möglichst konstante THC- und CBD-Werte, sondern auch die Reinheit und den Frischezustand der Blüten. Durch sehr lange Transportzeiten gingen wertvolle Terpene verloren, und eine fortlaufende Oxidation setze ein.

Die Monographien sehen laut Daske unter anderem eine Prüfung auf Fremdbestandteile vor. So dürfen keine Samen und keine Blätter über 1 cm Länge enthalten sein, andere Fremdbestandteile dürfen maximal 2 Prozent ausmachen, wobei Fremdstoffe wie Kunststofffäden, Insekten, Schimmel nicht vorhanden sein dürfen. Gerade bei Freilandanbau und in Greenhäusern ist dies unter anderem wegen fehlenden Kontrollmechanismen und mangelnder Klimakontrolle nicht auszuschließen.

Daher prüfe er immer auch mikroskopisch, auch wenn dies im Deutschen Arznei-Codex (DAC) gar nicht vorgeschrieben sei. Aber selbst dann Rückstände aus der Kultivierung nur schwierig zu identifizieren, erklärt er das Problem.

Noch wichtiger sei allerdings die mikrobiologische Qualität. Bei Cannabisblüten komme hinzu, dass sie nicht selten bei immungeschwächten Patientinnen und Patienten eingesetzt würden, so der Apotheker, der in einer großen Apotheke den Geschäftsbereich Cannabis aufgebaut hat und derzeit als Berater und Dozent tätig ist.

Die mikrobiologische Qualität sollte im besten Fall bereits über den Anbau gesteuert und sichergestellt werden. Jegliches nachträgliches Sterilisieren führt laut Daske zu Zweifeln an einer hochwertigen Kultivierung. Durch die Unklarheiten in der bestehenden Monographie, sind teilweise höhere Grenzwerte zulässig, was koloniebildende Einheiten angeht: „Das kann natürlich schneller zu mikrobiellen Verunreinigungen führen. Auch dann, wenn es in der Apotheke selbst kein erhöhtes Risiko bei der Lagerung gibt.“

Neben der makroskopischen und mikroskopischen Kontrolle – um Mycele zu erkennen, sucht er auf trichomaler statt zellulärer Ebene – gehöre dabei auch die organoleptische Prüfung immer dazu. So ließen sich immerhin Schimmelpilze oder Knospenfäule an ihren typischen Gerüchen oder am Inneren der Blüte erkennen. Andere mögliche Kontaminationen wie echter Mehltau und Glasfäule ließen sich dagegen nicht über den Geruch ausschließen, sondern eher über einen puderartigen weißen Überzug außen an der Blüte.

Daske findet es daher wichtig, dass die Apotheken für das Thema sensibilisiert sind und ihre Kontrollpflichten ernst nehmen. Mit Qualitätsproblemen sollten sie offensiv umgehen, auch wenn Cannabis kein klassisches Thema für Meldungen an die Arzneimittelkommission (AMK) sei. Aber wenigstens den Hersteller solle man immer informieren, damit der seinerseits transparent damit umgehen und die für ein pflanzliches Arzneimittel erforderliche Qualität gewährleisten könne.

Einen Vorteil hat der zunehmende Wettbewerb auf Ebene der Lieferanten schon gebracht: Die Verfügbarkeit sei deutlich besser geworden: Obwohl es übermäßig viele Produkte gebe, seien diese konstant verfügbar. „Das war am Anfang eine Katastrophe. Heute müssten die Patientinnen und Patienten viel seltener wechseln.“

Klar ist für ihn aber auch, dass der Preisverfall nicht unendlich weitergehen kann. „Günstigere Preise sind nicht immer schlecht oder deuten auf Ramschware hin. Es gibt auch qualitativ bessere Sorten im niedrigen Preissegment, aber sehr häufig sehen wir im günstigen Bereich deutliche Qualitätsunterschiede.“ Preise über 10 Euro seien schon heute nur noch schwer zu rechtfertigen. Erodierten die Beträge weiter, drohe die Gefahr, dass irgendwann eine gute Blütenqualität aus Kanada nicht mehr umgesetzt werden könne und sehr häufig Ramschware ankomme.

Noch dazu könnte das Thema angesichts des hohen Aufwands für die spezialisierten Apotheken unattraktiv werden. „Bei Dronabinol sind die Preise extrem in den Keller gegangen. Der Prüfaufwand in der Apotheke bleibt aber derselbe.“

Ein OTC-Switch würde aus seiner Sicht nur bedingt Sinn machen. „Die Apotheken könnten damit umgehen, da bin ich mir sicher. Die Beratung findet ja auch heute in der Apotheke statt. Aber man darf nicht vergessen, dass es sich um ein nicht zugelassenes Arzneimittel handelt.“

Wichtiger wäre aus seiner Sicht, dass die Abgabe bürokratisch vereinfacht wird. „Unsere Arbeit ist mitunter sehr komplex, unsere Bestandsliste umfasst 50 bis 100 Sorten, die die Ärzte einsehen können.“ Dennoch gebe es oft Beratungsbedarf und Nachfragen – auch seitens der Konsumentinnen und Konsumenten.

„Helfen würde uns eine sinnvolle Leitlinie zur Produktauswahl.“Denn einige verbreitete Einschätzungen zu Cannabis gelten laut Daske nicht mehr. „Dass man Sativa tagsüber nimmt und Indica abends, ist überholt. Der chemische Fingerabdruck einer Pflanze entscheidet, ob sie aktivierend oder dämpfend wirkt.“ Daher müssten bei nativen Patienten in der Regel drei Sorten eintitrierend ausprobiert werden.

Dasselbe gelte für die Beratung zu Neben- und Wechselwirkungen. Cannabis werde sehr stark über CYP-Enzyme abgebaut; anders als bei anderen Arzneimitteln gebe es daher dosisabhängige Nebenwirkungen. „Ab 15 mg THC oral etwa sind kardiovaskuläre Komplikationen möglich.“

Daske spricht sich auch dafür aus, Medizinalcannabis als pharmazeutische Dienstleistung (pDL) aufzunehmen. „Dann könnte die Apotheke die Planung übernehmen. Das würde einen echten interdisziplinären Austausch bringen.“

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