Streit um 5200 Euro

Import-Retax: Arztzettel rettet Aut-idem-Kreuz

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Berlin -

Original und Import gelten als identische Arzneimittel, deshalb dürfen Apotheken auch ein gesetztes Aut-idem-Kreuz nicht beachten. Nur wenn der Arzt den Ausschluss schriftlich begründet, ist eine Retaxation ausgeschlossen. Das hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) entschieden.

Im Streit ging es um einen Vorgang aus dem Jahr 2019. Auf dem Rezept, dass der Kunde in der Apotheke vorlegte, hatte der Arzt Simponi 50 mg verordnet. Dabei hatte er nicht nur die zugehörige Pharmazentralnummer (PZN) angegeben, sondern auch das Aut-idem-Feld angekreuzt und handschriftlich vermerkt, dass kein Reimport gewünscht sei. Obendrein hatte er dem Versicherten einen „Begleitzettel“ mit Unterschrift und Praxisstempel mitgegeben, auf dem er noch einmal erklärte, dass aus medizinisch-therapeutischen Gründen kein Austausch erwünscht sei.

In der Apotheke wurde entsprechend das Original abgegeben, außerdem wurde das Sonderkennzeichen für pharmazeutische Bedenken aufgedruckt. Neun Monate später flatterte die Retaxation ins Haus, da kein Reimport abgegeben worden sei. Mit CC-Pharma, Orifarm und Haematopharm hätten obendrein Rabattverträge bestanden, so die AOK Sachsen-Anhalt.

Laut § 129 Sozialgesetzbuch (SGB V) sind Apotheken zur Abgabe eines preisgünstigen Arzneimittels verpflichtet, sofern der Arzt ein Arzneimittel nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet oder den Austausch nicht ausgeschlossen hat. Letzteres ist in § 73 geregelt: Demnach können Vertragsärzte auf dem Verordnungsblatt oder in dem elektronischen Verordnungsdatensatz ausschließen, dass die Apotheken ein preisgünstigeres wirkstoffgleiches Arzneimittel anstelle des verordneten Mittels abgeben.

Die Regelung gilt auch für Importe; auch hier haben Rabattarzneimittel stets Vorrang, selbst wenn es sich um das Original handelt. Laut § 2 Rahmenvertrag gelten Import und Referenzprodukt als identische Arzneimittel. Insofern gab es immer wieder Diskussionen darüber, ob es sich überhaupt um unterschiedliche Präparate handelt. Zumindest im Liefervertrag der Ersatzkassen ist in § 5 klar geregelt, dass das Aut-idem-Kennzeichen im Verhältnis von importiertem und Bezugsarzneimittel mangels arzneimittelrechtlicher Substitution unbeachtlich ist: „Dies gilt nicht, wenn der Arzt zusätzlich zum Aut-idem-Kennzeichen auf dem Verordnungsblatt beziehungsweise zur Aut-Idem-Angabe im Verordnungsdatensatz vermerkt hat, dass aus medizinisch-therapeutischen Gründen die Abgabe des verordneten Arzneimittels erfolgen soll“, heißt es. Im Liefervertrag der AOK findet sich eine solche Klausel nicht.

Die Apothekerin zog vor Gericht. Durch die Angabe der PZN und des Herstellers werde das abzugebende Arzneimittel in der größtmöglichen Weise konkretisiert, so dass keinerlei Auswahlentscheidung mehr beim Apotheker verbleibe. Setze der Vertragsarzt zusätzlich ein Aut-idem-Kreuz, gebe er damit nichts anders zu verstehen, als dass die Apotheke nicht berechtigt sei, auch nur eine der angegebenen Komponenten – Arzneimittel, Hersteller und PZN – auszutauschen. Diese Entscheidung falle letztlich in die Therapiehoheit des Arztes und dürfe vom Apotheker nicht in Frage gestellt werden.

Das Sozialgericht Magdeburg (SG) wies die Klage im Mai 2023 ab: Die Regelung zur Austauschsperre finde bei Importarzneimitteln keine Anwendung. Entsprechend sei das Setzen des Aut-idem-Kreuzes ohne Belang. Der auf dem Begleitzettel enthaltene Hinweis auf den Patientenwunsch ändere daran nichts. Der Apotheker hätten den Versicherten allenfalls auf die Möglichkeit der Kostenerstattung hinweisen können.

Doch das LSG kassierte die Entscheidung jetzt: Der Arzt habe ausdrücklich das Originalpräparat verordnet und durch Ankreuzen des Aut-idem-Feldes darüber hinaus eine Ersetzung durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel ausgeschlossen. Dies habe er auf dem beigefügten Begleitzettel mittels Unterschrift und Praxisstempel nochmals bekräftigt. Diese in die Therapiehoheit fallende ärztliche Vorgabe konnte von der Apotheke nicht anders verstanden werden, als dass sie von ihr nicht in Frage zu stellen war und keinerlei Auswahlentscheidung mehr verblieb: „Wenn der Vertragsarzt ein bestimmtes Medikament verordnet und dessen Ersetzung ausdrücklich ausschließt, trägt er nach § 106b SGB V zwar das Risiko einer Wirtschaftlichkeitsprüfung seiner Verordnungsweise. Der Apotheker muss dieser Verordnung jedoch entsprechen“, so das Gericht.

Selbst wenn die Abgabe jedoch als nicht ordnungsgemäße Belieferung eingestuft würde, hätte sie einen Vergütungsanspruch. „Denn als ein diesen nicht tangierender, unbedeutender Fehler wird […] insbesondere auch der Fall erfasst, dass die Apotheke das verordnete Arzneimittel bei handschriftlich gesetztem Aut-idem-Kreuz abgibt. Ist ein solches – wie hier – elektronisch gesetzt und zusätzlich nochmals handschriftlich ärztlich ein Austausch untersagt, gilt das erst recht.“

Bei zwei anderen Retaxationen hatte die Apothekerin weniger Glück. Denn die nachträglich abgerufenen Defektnachweise für Palexia retard ließ auch das LSG nicht gelten: Die Apotheke hatte jeweils sechs Tage später eine Wochenübersicht dokumentiert – laut LSG stand dies nicht mehr im direkten zeitlichen Zusammenhang zur Abgabe. Mehr als 700 Euro sind hier deswegen futsch.

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