BSG-Urteil

Nullretax: Verfassungsbeschwerde abgewiesen

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Berlin -

Die Apotheker sind mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) gegen Nullretaxationen gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat Anträge der beiden direkt betroffenen Pharmazeuten nicht zur Entscheidung angenommen. Den Richtern in Karlsruhe zufolge ist der disziplinarische Effekt einer kompletten Rechnungskürzung durchaus zu rechtfertigen. Damit bleibt nur die Hoffnung auf die Politik.

Laut BVerfG sind die Apotheker viele Nachweise schuldig geblieben, etwa dass Nullretaxationen ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit sind. Auch sei nicht erkennbar, warum sie nicht geeignet sein sollen, einem Gemeinwohlbelang, nämlich der finanziellen Stabilität der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), zu dienen.

Ebenso wenig überzeuge die Ansicht, dass es mildere und insbesondere differenziertere Mittel gebe, um den Abgabevorschriften Wirksamkeit zu verleihen. Vertragsstrafen, wie sie im Rahmenvertrag vorgesehen sind, hätten aus Sicht des BVerfG jedenfalls keinen vergleichbaren Effekt: „Entscheidend ist, dass die Vertragsmaßnahmen nicht bereits im konkreten Fall auf die Verletzung des Substitutionsgebots reagieren können.“

Eine Kürzung der Differenz zum Preis des Rabattarzneimittels („Sowiesokosten“) stelle zwar ein milderes Mittel als der vollständige Vergütungsausschluss dar, sei aber ebenfalls nicht in gleicher Weise zum Erreichen des Ziels geeignet: „Es liegt im Gegenteil auf der Hand, dass der Ausschluss jeglicher Vergütung wegen der weitergehenden Nachteile für die Apotheken stärkere Wirkungen für die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots zeigt.“

Schließlich sei auch keine Unzumutbarkeit zu erkennen: Das Ausmaß einer wirtschaftlichen Betroffenheit hätten die Apotheker weder in Hinblick auf ihre eigenen Betriebe – gestritten wurde über Retaxbeträge von 17,49 und 47,08 Euro – noch in genereller Hinsicht hinreichend konkret dargelegt. „Gegen eine Annahme der Unzumutbarkeit spricht zudem entscheidend, dass es die Beschwerdeführer selbst in der Hand haben, ihre Vergütungsansprüche durch ein pflichtgemäßes, dem Substitutionsgebot entsprechendes Ausgabeverhalten zu verdienen und für sich zu sichern.“

Auch den Verweis auf die vielfältigen Probleme bei der Abgabe eines rabattierten Importarzneimittels ließen die Richter nicht gelten: Es sei „nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführer durch beachtliche Gründe, wie überhöhte Sorgfaltsanforderungen oder Notlagen, allgemein oder auch nur in konkreten Situationen gehindert sein könnten, ihren Verpflichtungen bei angemessener Pflichtanstrengung zu genügen“.

Außerdem ging es um Rechtsfragen, etwa was die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften angeht. Hier habe sich das BSG an den Rahmen gehalten; umgekehrt hätten die Apotheker ihre Kritik nicht ausreichend substantiiert, so das BVerfG. Richterliche Willkür beim BSG sei jedenfalls nicht zu erkennen. Insofern hätten die Verfassungsbeschwerden keine Aussicht auf Erfolg. Sie seien auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Apotheker angezeigt und hätten keine grundsätzliche Bedeutung.

Schon das BSG hatte Nullretaxationen als Berufsrisiko abgetan: „Den Apotheker trifft die Pflicht, ordnungsgemäß vertragsärztlich verordnete Arzneimittel nur im Rahmen seiner Lieferberechtigung an Versicherte abzugeben“, hieß es in der Urteilsbegründung. „Verletzt er diese Pflicht, ist dies sein Risiko: Die Krankenkasse muss für nicht veranlasste, pflichtwidrige Arzneimittelabgaben nichts zahlen.“

Die Anwälte der Apotheker hatten argumentiert, dass Nullretaxationen sich weder aus dem Gesetzestext noch aus der Entstehungsgeschichte oder dem Zweck des Substitutionsgebots ergeben. Die Kassen hätten bei Verstößen nur Anspruch auf Nachbesserung, Minderung oder Rückabwicklung sowie gegebenenfalls Schadenersatz. Vollabsetzungen ohne Prüfung des Einzelfalls seien dagegen ein Verstoß gegen die Grundrechte der Apotheker und damit unzulässig.

Nullretaxationen seien zudem willkürlich, weil sie sich zufällig nach dem Preis des Arzneimittels richteten und nicht nach der Schuld des Verursachers. Erschwerend hinzu kommt aus Sicht der Juristen, dass eine solche „Vermögensstrafe“ ein „erhebliches Missbrauchspotenzial“ berge: Die Kassen setzten dieses Instrument zunehmend aggressiv ein, um sich auf Kosten der Apotheken zu bereichern. Das Gutachten war in der Hochphase der Formfehler-Ahndung durch Protaxplus im Auftrag des Apothekerverbands Nordrhein durch den Pharmarechtler Dr. Heinz-Uwe Dettling von der Stuttgarter Kanzlei Oppenländer und seinen Kollegen Martin Altschwager erstellt worden. Dettling hatte auch die Verfassungsbeschwerden verfasst.

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