Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) legt eine Reform nach der anderen vor, die auf ihren Amtsvorgänger Karl Lauterbach (SPD) zurückgeht. Der Reformherbst wird so zum Recyclingherbst. Dabei ist ihr doch bekannt, dass Lauterbach seine Ideen an den Leistungserbringern vorbei entwickelt hatte und damit auf massive Kritik gestoßen war. Warum geht sie diesen Weg weiter? Und welche Rolle spielt die Standesvertretung der Apothekerschaft in diesem Zusammenhang? Ein Kommentar von Patrick Hollstein.
Warken hatte nicht nur den Apothekerinnen und Apothekern versprochen, dass mit ihr alles anders werden würde: Man werde nicht gegen die Leistungserbringer reformieren, sondern gemeinsam mit ihnen nach Wegen suchen. Doch schon bei der Apothekenreform sind Zweifel angebracht: Was das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgelegt hat, fußt in weiten Teilen auf Lauterbachs Entwurf. Weder hatte es dazu vorab Gespräche gegeben, noch wurden die Bedenken aufgegriffen. Nur ein paar Punkte wurden entschärft, ohne dass das Vorhaben dadurch eine andere Richtung bekam.
Ein weiteres Beispiel ist jetzt die Notfallreform. Auch hier wurde die Pläne für die „zweite Offizin“ im Krankenhaus nahezu 1:1 aus Lauterbachs Entwurf übernommen – obwohl hier im fortgeschrittenen Gesetzgebungsverfahren sogar schon der Bundesrat seine Kritik zu Papier gebracht hatte. Lediglich die Selbstdispensation wurde gestrichen; vermutlich hat man im BMG noch rechtzeitig erkannt, dass man mit dieser Idee zu weit gehen würde.
Inhaltlich lässt sich anmerken, dass beide Vorhaben, was die Apotheken angeht, in einem krassen Widerspruch zueinander stehen: Einerseits will man Landapotheken stärken, indem man die Notdienstpauschale verdoppelt. Andererseits will man die „zweite Offizin“ zur einzig überhaupt noch relevanten Zeit bis 21 Uhr als Konkurrenz zur Notdienstapotheke ins Rennen schicken – und dafür auch noch Geld aus dem Nacht- und Notdienstfonds (NNF) abzweigen.
Erkennt Warken nicht, dass sie dieselben Fehler wie ihr Vorgänger macht? Und wo sind ihre beiden Staatssekretäre Tino Sorge und Dr. Georg Kippels, die in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder den Finger in die Wunde gelegt und auf die Sinnlosigkeit und Widersprüchlichkeiten solcher und anderer Maßnahmen hingewiesen hatten? Gibt es so wenige eigene Reformideen, dass man sich im Fundus der Hinterlassenschaften bedienen muss?
Warken versichert, den Austausch mit den Apothekerinnen und Apothekern zu suchen. Das hatte Lauterbach auch behauptet, im Unterschied zu ihm ist sie aber tatsächlich schon mehrfach in Apotheken gewesen. Bewirkt hat das, was die Gesetzgebung angeht, bislang offenbar nicht allzu viel.
Abda-Präsident Thomas Preis meint, das Problem tief im Apparat des BMG ausgemacht zu haben: „Die Ministerin ist an unserer Seite“, sagte er gestern erneut beim OTC-Gipfel in Düsseldorf, während in Berlin fünf Stunden lang ohne ihn über die Apothekenreform gesprochen wurde. Man könne fast denken, die Reform habe nicht die Handschrift von Warken, fügte er an. Er ist nicht der Einzige, der seinen Frust über die Fachabteilungen mittlerweile unverhohlen zur Schau trägt. In Apothekerkreisen klammert man sich an die Hoffnung, dass man die Ministerin noch nicht verloren hat.
Abgesehen davon, dass es nicht sonderlich geschickt sein dürfte, die zuständigen Beamten derart anzugehen, unterstellt man Warken damit eine gewisse Führungslosigkeit. Und im Grunde räumt man das eigene Versagen gleich mit ein: Hat sich nach dem Amtsantritt der neuen Regierung niemand aus der Abda die Mühe gemacht, die neue Leitung im BMG auf die Red Flaggs hinzuweisen, die Lauterbach und seine Vertrauten hinterlassen hatten?
Immerhin hat die Abda diesmal erkannt, dass man nicht auch noch den Kabinettsbeschluss abwarten sollte. Um zu den erhofften Veränderungen im Sinne der Apotheken zu kommen, braucht es jetzt aber Stärke. Und zwar auf beiden Seiten.