Kommentar

ABDA bittet Populisten zum Tanz

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Berlin -

Die Apotheken sollen Unterschriften sammeln, um Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zu unterstützen. Auf dem Bogen heißt es: „Stoppen Sie die gefährlichen Einflüsse von außen. Schützen Sie die Apotheken vor Ort!“ Mit diesen Parolen überspannt die ABDA den Bogen des politisch Zulässigen, kommentiert Lothar Klein.

Es gibt berechtigte Gründe für Kritik an der EU. In der Flüchtlingspolitik hat die Europäische Gemeinschaft ebenso versagt wie bei der Lösung der Eurokrise. Der in vielen Ländern wachsende Verdruss über die Brüsseler Kommission und ihre Entscheidungen ist selbstgemacht und erklärbar. Wenn sich die Eurokraten mehr um den Radius von Bananen und den Durchmesser von Gurken kümmern als um die Sorgen der Bürger, darf sich niemand wundern über antieuropäische Stimmung.

Es darf und muss über den Zustand Europas und seine Zukunft gestritten und diskutiert werden. Die EU ist reformbedürftig und bedarf einer neuen gemeinsamen Vision. Für viele Apotheker war das EuGH-Urteil mit seiner skurrilen Begründung der Tropfen auf den heißen Stein. Etwas anderes ist es jedoch, wenn sich eine Standesorganisation die Europa-Skepsis vor den eigenen Karren spannt, um partikulare Interessen durchzusetzen. In vielen Ländern Europas sind die Populisten auf dem Vormarsch, zum Teil bereits in politische Verantwortung gewählt.

Im kommenden Jahr stehen in den Niederlanden, in Frankreich und in Deutschland wichtige Wahlen vor der Tür. Rechtspopulistische Stimmenfänger haben auch dabei gute Aussichten, in gewachsene Demokratien einzudringen. Wer wie die ABDA auf den vielerorts auflodernden politischen Feuerchen seine Interessensuppe zum Kochen bringt, macht sich mitschuldig, wenn daraus ein Flächenbrand entsteht.

Die Beteuerungen der ABDA-Spitze, es sei nicht die Absicht, mit der Unterschriftenaktion anti-europäische Vorbehalte zu schüren, kann man durchaus glauben. Darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, wie die Botschaft ankommt. Mit derart undifferenzierten Aussagen jedenfalls schafft die ABDA – bewusst oder nicht – Spielraum für populistische Interpretationen. Man kann den ABDA-Text auch so übersetzen: Die abgekartete Kumpanei von EU-Institutionen schaufelt ausländischen Heuschrecken den Weg frei, über die allzeit wohlwollenden und hilfsbereiten Apotheker in Deutschland herzufallen.

Mit solchen Parolen lassen sich vielleicht in der ohnehin aufgeheizten Stimmungsdemokratie viele Unterschriften einsammeln. Aber man muss als staatstragender Berufsverband auch übergeordneten Interessen im Auge behalten. Wer in über 20.000 Apotheken mit täglich vier Millionen Kundenkontakten solche Parolen auslegt, nimmt Missverständnisse bewusst in Kauf. Bis Weihnachten kann die ABDA-Botschaft ihr gefährliches politisches Virus bis weit in die Bevölkerung verbreiten – sofern die Aktion nicht ohnehin im Weihnachtsgeschäft untergeht.

In einer auf den demokratischen Ausgleich von Interessen aufbauenden Gesellschaft sind viele Mittel und Instrumente des Streits erlaubt. Die Gesellschaft muss es hinnehmen und nimmt es hin, wenn kleine Gruppen wie Piloten oder Eisenbahner die Republik für Tage lahmlegen. Das ist das gute Recht von Gewerkschaften.

Die ABDA sollte es sich aber noch einmal gut überlegen, ob es das Arzneimittelpreisrecht wert ist, mit anti-europäischen Tönen den Kräften Vorschub zu leisten, die Europa aus den Angeln hebeln wollen. Goethes Zauberlehrling ließ den Geist aus der Flasche. In Europa ist er längst unterwegs. Der Brexit ist der erste sichtbare Riss. Wenn die ABDA mit ihrer Unterschriftenaktion tatsächlich keine Stimmung gegen Europa machen will, bleibt ihr nur eine Wahl: Sie muss die Kampagne einstampfen und darf die Populisten damit nicht auf die politische Bühne zum Tanz bitten.

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